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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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dass die Fürstin für mich eine Unterkunft anordnet.«
    »Keine falsche Bescheidenheit, bitte!« Der Stiftskanzler lachte. »Außerdem hat das nichts mit Anordnung zu tun. Als Äbtissin des Damenstifts kann sie das höchstselbst entscheiden. «
    »Äbtissin? Ich denke, diese Frau ist eine Fürstin? Sie haben es doch selbst gesagt! Oder seit wann tragen Äbtissinnen blauseidene Kleider und Perlen um den Hals?«
    »Sie glauben also, ich würde Ihnen falsche Geschichten auftischen?« Sebastian von Moltzer runzelte missbilligend die Stirn. »Ihr Pferd hat sich aus dem Staub gemacht. Wenn Sie alsdann glauben, Ihr Ziel auch zu Fuß zu erreichen, so kann ich Sie nicht daran hindern. Ansonsten bleiben Sie heute Nacht besser bei uns, ich werde jetzt Hilfe holen und morgen früh kümmern wir uns um ein Pferd für Sie.«

    Helena rang mit sich. Dieser Sebastian von Moltzer hatte wohl Recht. Es wäre vernünftiger, die Nacht in Sicherheit zu verbringen. Andernfalls müsste sie sich wie Freiwild durch die Wälder schlagen. Zu Fuß, ohne Schutz. Und wenn man ihr im Stift tatsächlich ein Pferd leihen würde, käme sie sicher und gestärkt in Halle an. Aber konnte sie diesem Sebastian vertrauen? Helena richtete ihren Blick auf ihn.
    Er hatte sie die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet und streckte ihr nun seinen wollenen Umhang entgegen. »Warten Sie hier bitte auf mich. Ich kann die Fürstin nicht alleine zum Stift schaffen. Holen Sie Decken aus der Kutsche und wickeln Sie die Verletzte darin ein. Ich werde ihren Leibarzt zur Hilfe holen.«
    »Zu Fuß?«, fragte Helena ungläubig, doch da hatte sich Sebastian bereits auf den Weg gemacht.
    »Es bleibt uns keine andere Wahl«, rief er über die Schulter zurück.
    Mit einem unbehaglichen Gefühl blieb Helena bei der Fürstin zurück.
    Die hoch stehende Mittagssonne machte ihr bewusst, wie lange sie schon auf dem Baumstumpf kauerte und auf die Rückkehr des Stiftskanzlers wartete. In den vergangenen fünf Stunden hatte sie den Blick nicht von der Wegbiegung genommen. Jetzt füllten sich ihre Augen mit Tränen. Wie hatte sie so töricht sein können?
    Der Hunger nagte unerbittlich in ihr. Sie hielt ihre Knie umschlungen und horchte auf das Vogelgezwitscher. Ein Waldkäuzchen schrie auf. Helena befeuchtete ihre Lippen, sammelte den Speichel in ihrem Mund, und dachte beim Schlucken an einen randvollen Becher Wasser. Wäre sie zu
Fuß weitergegangen, wäre sie wohl längst an ein Gehöft gelangt, wo sie Hilfe für die Frau gerufen und Unterschlupf bekommen hätte. So saß sie mitten im Wald, den toten Kutscher in der Nähe wissend und die reglos in braune Decken eingehüllte Verletzte neben ihr. Helena beugte sich in kurzen Abständen vor, um den Puls an ihrem Hals zu fühlen. Die Frau war bei Bewusstsein, doch so erschöpft, dass sie nach einem kurzen Öffnen der Augenlider stets wieder einschlief. Es zerriss Helena fast das Herz, nicht mehr für die Frau tun zu können, außer bei ihr zu sitzen und über sie zu wachen.
    Da knackten Zweige hinter ihr. Helena fuhr herum und schaute den Waldhang hinauf. Mit Herzklopfen wartete sie darauf, dass Sebastian, obwohl sie ihn aus dieser Richtung eigentlich nicht vermutete, hinter einem der Bäume hervorkam. Es raschelte unter dem dichten Laub. Ein Tier, dachte Helena und ließ vor Enttäuschung ihren Kopf auf die Knie sinken.
    Warum nur hatte sie sich auf das Warten hier eingelassen? Woher hatte sie die Sicherheit genommen, sich auf die Worte von Sebastian verlassen zu können?
    Ein Schnauben hallte durch den Wald, und Hufschläge ertönten. Als die Kutsche hinter der Wegbiegung hervorkam, winkte ihr Sebastian freudig aufgeregt entgegen.

KAPITEL 2
    I n sanftem Bogen fuhren sie auf das Quedlinburger Stift zu, das in kühler Würde auf einem Sandsteinfelsen thronte.
    Sebastian war zwar ohne einen Leibarzt, aber mit Kutsche und zwei Dienern zurückgekehrt. Während sich das holprige Gefährt in strenger Geschwindigkeit dem dunklen Gemäuer näherte, sah Helena aus dem Kutschenfenster. Sie musterte ihre mögliche Schlafstätte mit gemischten Gefühlen. Ohne die schlichte, aber beeindruckend große Kirche hätte man das schmucklose Gebäude durchaus für eine Burganlage halten können, zumal der weithin sichtbare Turm eher einem Wehrturm ähnelte. Umgeben wurde das Stift von einer trutzigen Mauer, in deren Schatten sich die Wohnhäuser an den Berg drängten.
    Die Hufe der Pferde hallten über das Steinpflaster, als sie die Auffahrt hinauf durch

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