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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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gekocht, ausgedrückt und so heiß auf die Wunde gelegt, als es die Fürstin vertragen kann.«
    »Tatsächlich?« Der Leibarzt setzte seinen Zwicker auf. »Ein Weibsbild! Tatsächlich! Was haben Sie da eben gesagt? «
    »Ich sagte, ich bräuchte Gummi arabico und ein Kräuter …«
    »Ja, sind wir denn hier im Tollhaus? Auch am Krankenbette hat ein Weib sein Maul zu halten!« Der Leibarzt holte tief Luft, so dass sich die Knopfleiste seines Gehrocks gefährlich dehnte. »Seeebastian? Sebastian! Komm sofort herein! Lass dich nicht zweimal bitten! Du horchst doch ohnehin!«
    Zaghaft öffnete sich die Tür.
    »Da bist du ja endlich! Ruf mir den elenden Chirurgen vom Münzenberg, er muss mal wieder zur Ader lassen. Einmal müssen bei unserer gnädigen Fürstäbtissin Gifte entzogen werden, und bei diesem jungen Weib hier sind die Säfte durcheinandergeraten. Sie führt sich auf wie ein Mannsbild. «
    Helena konnte nur sprachlos dasitzen und den Leibarzt anstarren.
    »Sebastian?«, ließ sich die Fürstin leise vernehmen. »Komm bitte näher.« Sie stützte sich im Bett auf und wartete, bis der Stiftskanzler an ihrer Seite stand. Mit schwacher Stimme sprach sie weiter. »Ist es wirklich wahr, dass mir dieses Mädchen das Leben gerettet hat, so wie sie es gesagt hat?«

    »Ja, also, nun ja, sie hat … Wie soll ich sagen …« Sebastian vermied es, die Fürstäbtissin anzusehen.
    »Willst du sagen, sie hat etwas getan, was sich dein Verstand nicht erklären kann? Sie hat mir mit ihrem Atem neues Leben eingehaucht, nicht wahr?«
    Der Leibarzt stieß ein pfeifendes Geräusch aus. »Bei allem, was mir heilig ist! Eine Hexe! Ich habe es gleich gewusst. In unserem Haus! Eine Wahnsinnige! Das Weib muss sofort verschwinden, bevor noch etwas Schreckliches passiert!«
    Die Fürstin versuchte sich vollends aufzusetzen und wandte sich ihrem Leibarzt zu. »Ganz recht, mein lieber Äskulap, ganz recht. Das Halbwissen dieses Mädchens ist sehr gefährlich. Darum ist es wirklich besser, wenn …«
    Entsetzt ließ Helena die Hand der Fürstin los.
    »… wenn Sie, lieber Äskulap, sich um das Mädchen kümmern. Sie wird bei uns bleiben und von Ihnen in der Heilkunst unterrichtet werden. Auf das Gründlichste, wir verstehen uns? Dann kann sie niemandem mehr Schaden zufügen, ganz, wie Sie es gefordert haben.«
    Ungläubig schaute Helena zwischen den beiden hin und her. Hatte sie da eben richtig gehört?
    Der Leibarzt lockerte sein rotes Halstuch und reckte das Kinn. »Das hat es ja noch nie gegeben! Wie stellen sich Gnädigste das vor? Ich kann doch kein Weib ausbilden!«
    »So?« Die Fürstin lächelte müde. »Ich wusste nicht, dass Ihre Kenntnisse dazu nicht ausreichen. Dann müssen wir uns wohl einmal über Ihr wahrhaft fürstliches Salär unterhalten. «
    »Aber, das ist doch … Natürlich weiß ich das Weib auszubilden, allerdings …« Er hielt inne und schob seine weiße Zopfperücke zurecht.

    »Ich verstehe schon. Sie sind sehr beschäftigt.«
    »Es freut mich, dass gnädigste Fürstin mich verstehen. Da Höchstselbe sich dank meiner jahrzehntelangen Fürsorge bester Gesundheit erfreuen, haben mich Gnädigste mit zahlreichen verantwortungsvollen Aufgaben betraut, worüber ich höchst erfreut bin, doch Tag und Nacht ruft man nach mir. Kaum sind die adeligen Damen wohlauf, so trifft es die Dienerschaft und bald darauf brüllt das Vieh. Wobei mir Letzteres allemal am angenehmsten ist …«
    Die Fürstin quittierte die Bemerkung mit einer unduldsamen Miene. Aber der Leibarzt fuhr unbeirrt fort: »Außerdem sind in der Stadt ein paar Blatternfälle bekanntgeworden, da wird meine Hilfe dringend benötigt.«
    »Blattern? Um Gottes willen!« Alle Sicherheit wich aus der Fürstin. »Die Seuche greift in Quedlinburg um sich? So nah? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Lassen Sie sofort die Stiftstore schließen! Im Stift ist doch kaum jemand gegen die Blattern gefeit!« Nach einem kurzem Moment fügte sie hinzu: »Da trifft es sich aber besonders gut, dass Sie eine Gehilfin bekommen. Alsdann wird sie bei Ihnen nicht nur allerlei in der Theorie erfahren, sondern sogleich in der Praxis erkennen. Sie wird bei Ihnen in den besten Händen sein.«
    »Ein Weib? Mich begleiten? Undenkbar! Außerdem … am Ende bekommt sie gar die Blattern und schleppt sie uns ins Stift!«
    Erschrocken zog die Fürstin ihre Bettdecke an sich. »Daran habe ich nicht gedacht. Es darf niemand das Stift verlassen, dem sich die Blattern mitteilen

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