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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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bekreuzigte sich in die Richtung, wo man ein Bein unter der Kutsche hervorragen sah. »Ich befürchte, er hat es nicht überlebt.«
    Helena atmete tief durch. »Bitte beruhigen Sie sich. Wir müssen die Verletzte aus der Kutsche ziehen!«
    Das Unglücksgefährt sah von außen recht unversehrt aus, doch wie schwer mochten die Verletzungen der Fürstin
sein? Plötzlich kam es ihr merkwürdig vor, dass sich in dieser schlichten Kutsche eine Fürstin befinden sollte.
    Doch sie hatte keine Zeit nachzudenken. Der Mann kletterte auf die Kutsche, und nur einen Augenblick später hatte er die schmale Tür geöffnet. Sein Aufschrei beseitigte jeglichen Zweifel in ihr, helfen zu müssen. Sie kletterte ebenfalls auf das Gefährt, kniete sich hin und mit vereinten Kräften zogen sie die Ohnmächtige aus der Kutsche.
    Das Gesicht der älteren Frau war von einer Platzwunde an der Stirn blutverschmiert, die Spur zog sich hinein in die schwarzen Locken der Hochsteckfrisur, über die fülligen Wangen den Hals hinab, bis an die wunderschöne Perlenkette. An der Schulterpartie hatte das glänzende Kleid aus blauem Tuch ebenfalls Blutflecken abbekommen.
    Der Mann, von sehniger, aber nicht übermäßig kräftiger Statur, trug die Dame keuchend und schweren Schrittes hinauf auf den Waldweg. Helena lief nebenher und versuchte, sich ein Bild von der Verletzung zu machen. Die Fürstin hielt die Augen geschlossen, aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen.
    Sanft bettete der Träger den scheinbar leblosen Körper auf den Erdboden. Sofort kniete sich Helena nieder. Ihre Fingerkuppen berührten die kühle Haut am Hals der Frau. Unvermittelt spürte sie ein schwaches Pochen. Viel zu schwach. Die schmalen Lippen der Verletzten verfärbten sich blau. Intuitiv hielt Helena eine Hand dicht über Mund und Nase. Kein warmer Hauch, der an ihren Fingerspitzen kribbelte; der Brustkorb ohne Bewegung. Helena schickte ein Stoßgebet zum Himmel und beugte den Kopf der Verletzten vorsichtig in den Nacken. Kurz bevor sie ihren Mund auf den der Fürstin legte, sah sie noch einmal zu dem Mann auf.

    Der starrte sie entsetzt an. »Was … was tun Sie da?«
    Helena gab keine Antwort. Sie holte tief Luft, legte ihre Lippen auf die der Fürstin und atmete aus, bis sie spürte, dass sich der Brustkorb der Verletzten hob. Helena versuchte es noch einmal. Bitte, bitte …
    Ein Zucken durchlief den Körper der Frau. Helena wich zurück und konnte die Verletzte gerade noch zur Seite drehen, bevor diese zu husten begann und sich erbrach. Noch nie war Helena über einen derartigen Anblick so glücklich gewesen.
    »Geschafft!« Sie lehnte sich zurück und strahlte den Mann an.
    Dieser bekreuzigte sich und schüttelte fassungslos den Kopf. »Gott bewahre! Was … was haben Sie da getan? Das ist Zauberei! Grundgütiger!«
    Helena ließ die Schultern hängen: »Das ist keine Zauberei, das ist eigentlich ganz einfach. Man kann durch den eigenen Atem zur rechten Zeit wieder Leben spenden und …«
    Er unterbrach sie mit erhobener Hand. »Schweigen Sie still! Davon will ich nichts hören! Wer sind Sie überhaupt? Wo kommen Sie her?«
    »Ich heiße Helena. Helena Fechtner. Und ich komme … Nun … Ich bin auf dem Weg nach Halle.« Sie beugte sich über die schwer atmende Frau, in die zusehends das Leben zurückkehrte. Sie hatte gerade das Leben einer Fürstin gerettet. Doch es keimte kein Stolz in ihr auf, nur Unsicherheit. Sie war doch nur eine einfache Hebamme.
    Helena richtete sich auf und klopfte sich das Kleid ab. »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt weiterziehe.« Traurig dachte sie an den Verlust ihres bisher so treuen Pferdes und
hoffte, es im Laub stöbernd hinter der nächsten Wegbiegung aufzufinden.
    Der Mann sah sie nachdenklich an. Seine großen Augen wollten nicht so recht zu den asketischen Gesichtszügen und der langen, leicht gekrümmten Nase passen. Sein Blick war freundlich, eigentlich war er ein Mensch von jener Art, den man nur ansehen musste, dass es einem ein Lächeln entlockte. »Warten Sie! Die Fürstin würde mir wohl nicht verzeihen, wenn ich Sie ohne Dank von dannen ziehen ließe. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Sebastian von Moltzer, Stiftskanzler. Wir stehen in Ihrer Schuld. Sie werden bei uns im Damenstift etwas zu essen erhalten und, wenn Sie wünschen, auch ein Nachtlager.«
    »Damenstift?«, fragte Helena. »Nein, machen Sie sich keine Umstände. Ich habe gerne geholfen und nun muss ich weiter! Zudem möchte ich nicht,

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