Maedchengrab
Schreibtischschublade bewahrte er Schuhcreme und -bürsten auf. Rebus wusste das, weil er eines Tages, als Cowan nicht im Raum war, die Schublade aufgezogen hatte, natürlich nicht ohne vorher auch einen Blick in die anderen beiden darüber geworfen zu haben.
» Was suchst du?«, hatte Elaine Robison gefragt.
»Hinweise«, hatte Rebus erwidert.
Robison stand jetzt vor ihm und reichte ihm einen Becher Kaffee.
» Wie war’s?«, fragte sie.
» War halt eine Beerdigung«, antwortete Rebus und führte den Becher an die Lippen.
» Wenn wir jetzt anfangen könnten«, platzte Cowan dazwischen. Der graue Anzug wirkte irgendwie verkehrt an ihm. Die Schultern schienen zu stark gepolstert und die Aufschläge zu breit. Unbeirrbar fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar.
Rebus und Robison nahmen neben Peter Bliss Platz, der schwerfällig schnaufte, selbst wenn er sich gar nicht bewegte. Aber so ging das schon seit zwanzig Jahren, und wahrscheinlich war es in den zwanzig Jahren davor auch nicht anders gewesen. Er war nur wenig älter als Rebus und länger in der Abteilung als alle anderen. Jetzt hatte er die Hände vor dem mächtigen Bauch verschränkt, als wolle er das Universum herausfordern, ihn mit etwas zu überraschen, das er nicht schon gesehen hatte. Ganz gewiss hatte er viele wie Detective Sergeant Daniel Cowan gesehen und hatte dies Rebus an dessen erstem Tag in der Abteilung auch mitgeteilt: »Der sitzt auf dem hohen Ross und glaubt, wir sind seiner nicht würdig. Hält sich für zu gut, aber die Chefs wissen das und haben ihn hier aufs Abstellgleis geschoben, damit er ein kleines bisschen runterkommt.«
Vor seiner Pensionierung hatte Bliss den Dienstgrad eines Detective Inspectors – genau wie Rebus. Elaine Robison war Detective Constable gewesen und schrieb die Tatsache, dass sie es nie weiter gebracht hatte, dem Umstand zu, dass sie ihrer Familie stets Priorität vor der Karriere eingeräumt hatte.
»Und zwar völlig zu Recht«, hatte Rebus gesagt und hinzugefügt (nachdem er sie über einige Wochen besser kennengelernt hatte), dass seine eigene Ehe den Kampf gegen den Job schon sehr früh verloren hatte.
Robison war gerade erst fünfzig geworden. Sohn und Tochter waren aus dem Haus und nach dem Collegeabschluss aus beruflichen Gründen in den Süden gezogen. Auf ihrem Schreibtisch standen gerahmte Porträts der beiden neben anderen Fotos, die Robison selbst auf der Sydney Harbour Bridge und im Cockpit eines kleinen Flugzeugs zeigten. Sie hatte kürzlich angefangen, sich die Haare zu färben, woran Rebus gar nichts auszusetzen hatte, allerdings hätte sie auch grau meliert noch zehn Jahre jünger ausgesehen. Möglicherweise konnte sie noch für fünfunddreißig durchgehen – ebenso wie Cowan.
Cowan hatte, wie Rebus vermutete, die Stühle angeordnet. Sie standen in einer geraden Reihe vor seinem Schreibtisch, damit ihn alle ansehen mussten.
»Haben Sie eine Wette verloren, oder warum tragen Sie solche Socken, Danny?«, fragte Rebus hinter seinem Becher.
Cowan überging die Frage mit einem dünnen Lächeln. »Hab ich richtig gehört, John? Sie haben einen Antrag gestellt und wollen wieder in den Dienst zurück?« Er wartete darauf, dass Rebus das Gerücht bestätigte. Das Rentenalter war heraufgesetzt worden, und das bedeutete, dass sich Leute aus Rebus’ Jahrgang erneut bewerben konnten.
»Die Sache ist die«, fuhr Cowan fort und beugte sich vor, »die werden mich um ein Referenzschreiben bitten. Wenn Sie so weitermachen, wird das sicher kein Fanbrief.«
»Sie bekommen trotzdem ein Autogramm von mir«, versicherte ihm Rebus.
Schwer zu sagen, ob Peter Bliss’ Schnaufen nur die Klangfarbe gewechselt hatte oder ob er ein Lachen unterdrückte. Robison hielt den Blick gesenkt und grinste. Cowan schüttelte bedächtig den Kopf.
»Darf ich Sie alle daran erinnern«, sagte er ruhig, »dass diese Abteilung gefährdet ist? Wenn sie aufgelöst wird, wird nur einer von uns wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen.« Er zeigte mit dem Finger auf seine eigene Brust. »Ein Ergebnis wäre also schön. Von Fortschritten mal ganz zu schweigen.«
Sie wussten alle, wovon er sprach. Das Crown Office war gerade dabei, eine Abteilung für ungelöste Fälle in ganz Schottland aufzubauen, die Cold Case Unit. Wenn diese ihr Arbeitsaufkommen übernahm, würden ihre Stellen gestrichen. Die CCU würde dann über einen Datenbestand von dreiundneunzig Fällen verfügen, die zum Teil bis in die vier ziger Jahre
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