Mädchenhass und Jungenliebe (Junge Liebe )
heute oder morgen kann ich eigentlich den ganzen Nachmittag.“
„Heute um vier? Brauchst mir nur noch deine Adresse zu geben.“
Wahnsinn! Der Tag war gerettet.
Ich schrieb ihm einen Zettel mit meiner Adresse.
„Heute um vier dann.“
Diesmal war es sein Bus, der zuerst kam. Die Busse kommen ja sowieso, wann sie wollen.
„Bis nachher.“
„Ja, bis nachher.“
Ich durfte bei all dem natürlich nicht vergessen, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich nur kam, um sich von mir mit seinem Latein-Problem helfen zu lassen. Er sah zwar nicht nach einem schlechten Schüler aus, denn er hatte dafür einen zu verständigen Blick, aber jeder hat ja seine starken wie schwachen Seiten.
Der Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich möglicherweise noch fünf Minuten auf meinen Bus warten musste. Zeit genug für eine Zigarette. Doch die gerade locker zwischen meinen Lippen steckende Zigarette flog in hohem Bogen raus, als mir jemand mit entsprechender Kraft auf die Schulter klopfte.
Niemand außer meinem besten Freund Lukas wäre zu so etwas im Stande.
„Was willst du?“, fragte ich, während ich die Zigarette aufhob und anzündete.
„Ich will wissen, was du für 'nen Scheiß mit Lara machst.“
Entgegen meinen Absichten drehte ich mich doch zu ihm um, um mit ihm darüber zu sprechen.
„Was meinst du?“
„Das frag' ich dich.“
Ich hasse es, wenn Leute so mit mir sprechen.
„Sag einfach, was los ist.“ Nebenbei wollte ich wirklich wissen, was meine Freundin für ein Problem hatte.
„Wieso muss sich deine Freundin stundenlang bei meiner Freundin ausheulen?“
„Frag das doch deine Freundin.“ An solchen Frauenproblemen hatte ich wirklich kein Interesse.
„Ich frag aber dich. Weil ich mir Sorgen mache. Um sie, um dich und um uns.“
„Bravo. Ein ganzer Satz. So was hört man auch eher selten von dir.“
Ich werde immer nur dann so frech, wenn ich meinen Gesprächspartnern signalisieren will, dass ich keinen Bock auf sie habe.
„Ich mein es ernst. Du hast dich verändert, David. Und Lara tut das nicht gut. Und dir sicher auch nicht. Hast du irgendwelche Probleme?“
„Wenn ja, wärst du einer der Letzten, mit denen ich darüber reden würde.“
Leider musste ich Lukas mit Fragezeichen in den Augen stehen lassen, denn mein Bus fuhr ein. Vom Bus aus sah ich, wie er kopfschüttelnd sein Fahrrad nahm und wegfuhr.
Mir war das herzlich egal. Ich hatte einen wunderbaren Tag vor mir. Henning, der schönste Junge auf der Welt, kam freiwillig zu mir. Ich wusste zwar, dass ich mir da keine zu großen Hoffnungen machen sollte, aber allein seine Anwesenheit würde mich bestimmt schon glücklich machen.
Ein handschriftlicher Zettel meiner Mutter setzte dem ganzen noch das I-Tüpfelchen auf.
In ihrer mir bekannten Sauklaue hatte sie mir eine Nachricht hinterlassen, die ich erst im zweiten Anlauf entziffern konnte.
„Hab mit 'ner Kollegin die Schicht getauscht. Komm erst heut Abend wieder. Pizza im Kühlschrank.“
Auf Pizza hatte ich zwar gerade keine Lust, aber dass ich auch noch mit Henning allein sein würde, machte meine Vorfreude noch größer.
Nicht, dass ich irgendwelche Pläne gehabt hätte ... Bloß nicht! Nur falls ...
Der Gedanke war sowieso absurd. Ich lerne einen Jungen kennen, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht, halte mich sofort für stockschwul und träume von einer gemeinsamen Zukunft mit diesem Engel.
Vielleicht hatte ich einfach nur einen Schaden. Das hatten mir mein ganzes Leben lang immer wieder irgendwelche Leute gesagt.
Vielleicht fehlte mir in der Beziehung mit Lara einfach irgendwas. Vielleicht hielt ich mich ja überhaupt nur für schwul und das sollte mir ein Zeichen dafür sein, dass ich irgendetwas in meinem Leben zu ändern hatte.
Dann war es aber doch komisch, dass ich spätestens ab drei Uhr völlig nervös war. Ich duschte und bereitete mich vor, wie auf ein Date mit einer potentiellen Lebenspartnerin.
Vielleicht war es das ja auch, nur alles mit dem einen Haken, dass mein Schwarm ein Junge war und kein Mädchen, wie es hätte sein sollen und wie es damals gewesen war, als ich und Lara zusammen kamen.
Ab viertel vor vier stand ich da - perfekt gestylt - und wartete.
Ich hatte sogar noch versucht, mein Zimmer aufzuräumen, aber das hat sich als sinnloses Unterfangen herausgestellt.
Ab vier stand ich im Flur und wartete.
Um zwei Minuten nach vier hatte ich eine Eingebung: Ich warte hier doch nicht
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