Maedchenmoerder Ein Liebesroman
katalanischen Team Aigua de Peguera , ab 2001 bei dem unbedeutenden französischen Team C.E.C. Montvert . Es stimmt, was meine Mutter schreibt: In seiner ganzen Laufbahn hat er nur ein einziges Rennen gewonnen, die Schlussetappe bei den 4 Jours de Dunkerque. An der Tour de France hat er dreimal teilgenommen, seine beste Gesamtplatzierung war Rang 129.
Was hätte er wohl dazu gesagt, dass seine Tochter die erste Frau sein würde, die dieses Rennen fünfmal gewinnt?
Ich hoffe, Sie begreifen jetzt, warum ich meine Karriere im letzten Frühjahr so plötzlich beendet habe. Und ich wünsche mir, dass all diejenigen, die behauptet haben, ich wäre mit diesem Rückzug meiner Suspendierung wegen Gen-Dopings zuvorgekommen, vor Scham verstummen.
Ich weiß nicht, ob ich je verstehen werde, warum meine Mutter mich - und sich selbst - so lange im Dunkeln gelassen hat. Oder hat sie versucht, Andeutungen über ihre wahre Geschichte zu machen - und ich wollte sie nicht hören? In welch anderem Licht erscheint mir ihr großer Widerwillen gegen meinen Sport, meine Leidenschaft, jetzt! Und wie sehr schmerzt mich der Bruch, zu dem es zwischen uns kam, weil ich ihr nicht verzeihen konnte, dass sie mich nie zu einem Rennen begleitet hat und selbst meinen Siegen in Paris ferngeblieben ist.
Hat meine Mutter es bereut, mich zur Welt gebracht zu haben, die ich - wenn die Fotos nicht täuschen - meinem Vater so viel ähnlicher sehe als ihr? Hätte sie ein erfüllteres, glücklicheres Leben führen können, hätte sie ihre Gespenster nicht begraben, sondern versucht, sie offen zu bekämpfen?
Der einzige Mensch, dem ich diese Fragen hätte stellen können, ist tot.
Es verschafft mir ein wenig Erleichterung, dass ich den Kommissar ausfindig machen konnte, der damals in Deutschland mit dem Fall »Julia Lenz« befasst war. Obwohl er seit langem im Ruhestand ist, hat er sich sofort erinnert, als ich ihm den Namen meiner Mutter genannt habe. Ich wollte von ihm wissen, ob er sie je als Mittäterin betrachtet habe. Er verneinte dies. Dennoch sei er froh, dass er ihre Briefe jetzt erst gelesen und nicht damals schon gekannt habe. Das letzte Mal habe er meine Mutter getroffen, um ihr mitzuteilen, dass die italienischen Behörden die sterblichen Überreste von David Hoss kremiert und anonym beigesetzt hätten, da weder seine Mutter noch seine Großeltern beantragt hätten, den Leichnam nach Deutschland zu überführen. Ganz still habe meine Mutter ihn da angeschaut. Und dann habe sie angefangen zu schreien, wie er noch nie einen Menschen habe schreien hören. Nach dreißig Sekunden sei der Anfall vorüber gewesen. Dann sei meine Mutter abermals ganz still geworden, sei aufgestanden und habe ihm für die Information gedankt. Danach habe er nie wieder etwas von ihr gehört.
In dem Versteck im Schlafzimmer meiner Mutter, jenem Raum, in dem ich sitze, während ich diese Zeilen schreibe, lag außer dem Geld, dem Brief, der Einbürgerungsurkunde und den » Memory Sticks « noch eine Seite, die aus einem alten Buch gerissen zu sein scheint. Leider ist es mir nicht gelungen herauszubekommen, von wem die beiden Sätze stammen, die meine Mutter rot unterstrichen hat:
Jetzt weiß ich, dass der Mensch übers Wasser gehen kann. Er muss nur warten, bis es gefroren ist.
Möge die Seele meiner Mutter den Frieden finden, den sie verdient.
Rapid City, South Dakota,
im Oktober 2039 Holly Spring
Danksagung
Die Autorin dankt Dr. Gabriele Dietze, Uta Glaubitz, Axel Petermann, Julia Roth, Prof. Dr. Markus Rothschild, Peter Winnen und Marcel Wüst.
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1. Auflage Februar 2008
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