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Maerchen Fuer Kinder

Titel: Maerchen Fuer Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Christian Andersen
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ermüdet und bedarf wohl der Ruhe.« Dann setzte er sich nieder, faltete seine Hände und betete sein Abendgebet, und bevor er es wußte, schlief und träumte er, während es draußen blitzte und donnerte.
    Als er wieder erwachte, war es mitten in der Nacht, aber das böse Wetter war vorübergezogen und der Mond schien durch die Fenster zu ihm herein. Mitten in der Kirche stand ein offener Sarg mit einem toten Mann darin, denn er war noch nicht begraben. Johannes war durchaus nicht furchtsam, denn er hatte ein gutes Gewissen und wußte wohl, daß die Toten niemand etwas zu Leide thun; es sind lebende böse Menschen, die Übles thun. Solche zwei lebende, schlimme Leute standen dicht bei dem toten Mann, der hier in die Kirche hineingesetzt war, bevor er beerdigt wurde; dem wollten sie Übles erweisen, ihn nicht in seinem Sarge liegen lassen, sondern ihn draußen vor die Kirchthür werfen, den armen, toten Mann.
    »Weshalb wollt Ihr das thun?« fragte Johannes. »Das ist böse und schlimm; laßt ihn in Jesu Namen ruhen!«
    »O, Schnickschnack!« sagten die beiden häßlichen Menschen. »Er hat uns angeführt! Er schuldet uns Geld, das konnte er nicht bezahlen, und nun, da er tot ist, bekommen wir keinen Pfennig; deshalb wollen wir uns rächen, er soll wie ein Hund draußen vor der Kirchthür liegen!«
    »Ich habe nicht mehr als fünfzig Thaler,« sagte Johannes, »das ist mein ganzes Erbteil, aber das will ich Euch gern geben, wenn Ihr mir ehrlich versprechen wollt, den armen, toten Mann in Ruhe zu lassen. Ich werde schon durchkommen ohne das Geld; ich habe starke, gesunde Gliedmaßen, und der liebe Gott wird mir allezeit helfen.«
    »Ja,« sagten die häßlichen Menschen, »wenn Du seine Schuld bezahlen willst, wollen wir beide ihm nichts thun, darauf kannst Du Dich verlassen!« Sie nahmen das Geld, welches ihnen Johannes gab, lachten laut auf über seine Gutmütigkeit und gingen ihres Weges; Johannes aber legte die Leiche wieder im Sarge zurecht, faltete ihre Hände, nahm Abschied von ihr und ging dann durch den großen Wald zufrieden weiter.
    Ringsumher, wo der Mond durch die Bäume hereinscheinen konnte, sah er die niedlichen kleinen Elfen lustig spielen; sie ließen sich nicht stören, sie wußten wohl, daß er ein guter, unschuldiger Mensch war, und es sind nur die bösen Leute, welche die Elfen nicht zu sehen bekommen. Einige von ihnen waren nicht größer, als ein Finger breit ist, und hatten ihre langen, gelben Haare mit goldenen Kämmen aufgeheftet; zwei und zwei schaukelten sie sich auf den großen Tautropfen, die auf den Blättern und dem hohen Grase lagen; zuweilen rollte ein Tropfen herab und fiel nieder zwischen den langen Grashalmen und das verursachte ein Gelächter und Lärmen unter den andern Kleinen. Es war allerliebst! Sie sangen und Johannes erkannte ganz deutlich alle die hübschen Lieder, die er als kleiner Knabe gelernt hatte. Große, bunte Spinnen mit silbernen Kronen auf dem Kopfe mußten von der einen Hecke zur andern lange Hängebrücken und Paläste spinnen, welche, da der feine Tau darauf fiel, wie glänzendes Glas im klaren Mondscheine aussahen. So währte es fort, bis die Sonne aufging. Die kleinen Elfen krochen dann in die Blumenknospen, und der Wind erfaßte ihre Brücken und Schlösser, die als Spinnweben durch die Luft dahinflogen.
    Johannes war nun aus dem Walde gekommen, als eine starke Mannsstimme hinter ihm rief: »Heda, Kamerad, wohin geht die Reise?«
    »In die weite Welt hinaus!« sagte Johannes. »Ich habe weder Vater, noch Mutter, bin ein armer Bursche, aber der Herr hilft mir wohl!«
    »Ich will auch in die weite Welt hinaus!« sagte der fremde Mann. »Wollen wir beide einander Gesellschaft leisten?«
    »Ja wohl!« sagte Johannes, und sie gingen mit einander. Bald wurden sie sich recht gut, denn sie waren beide gute Menschen. Aber Johannes merkte wohl, daß der Fremde viel klüger war, als er; er hatte fast die ganze Welt durchreist und wußte von allem Möglichen, was existierte, zu erzählen.
    Die Sonne war schon hoch herauf, als sie sich unter einen großen Baum setzten, ihr Frühstück zu genießen; zur selben Zeit kam eine alte Frau daher. Sie ging ganz krumm, stützte sich auf einen Krückstock und hatte auf ihrem Rücken ein Bündel Brennholz, welches sie sich im Walde gesammelt hatte. Ihre Schürze war aufgebunden, und Johannes sah, daß drei große Ruten von Farrenkraut und Weidenreisern daraus hervorsahen. Als sie ihnen ganz nahe war, glitt ihr ein Fuß aus, sie

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