Maerchen Fuer Kinder
König und der Geistliche folgten nach; sie sahen dieselbe bei der Gitterpforte hineinverschwinden, und als sie sich derselben näherten, saßen die Hexen auf dem Grabsteine, wie Elisa sie gesehen hatte, und der König wendete sich ab; denn unter diesen dachte er sich die, deren Haupt noch diesen Abend an seiner Brust geruht hatte.
»Das Volk muß sie verurteilen!« sagte er, und das Volk urteilte, sie solle verbrannt werden.
Aus den prächtigen Königssälen wurde sie in ein dunkles, feuchtes Loch geführt, wo der Wind durch das Gitter hineinpfiff; anstatt Samt und Seide gab man ihr das Bund Nesseln, welches sie gesammelt hatte, darauf konnte sie ihr Haupt legen; die harten, brennenden Panzerhemden, die sie gestrickt hatte, sollten ihre Decke sein, aber nichts lieberes konnten sie ihr geben, sie nahm wieder ihre Arbeit auf und betete zu ihrem Gott. Draußen sangen die Straßenbuben Spottlieder auf sie, keine Seele tröstete sie mit einem freundlichen Worte.
Da sauste gegen Abend dicht beim Gitter ein Schwanenflügel; es war der jüngste der Brüder, der die Schwester gefunden hatte, und sie schluchzte laut vor Freude, obgleich sie dachte, daß die Nacht, die da kam, wahrscheinlich die letzte sein werde, die sie zu leben habe; aber nun war ja auch die Arbeit fast beendet, und ihre Brüder waren hier.
Der Geistliche kam nun, um die letzte Stunde bei ihr zu sein, das hatte er dem König versprochen; aber sie schüttelte mit dem Haupte, bat mit Blick und Mienen, er möge gehen; in dieser Nacht mußte sie ja ihre Arbeit vollenden, sonst war alles unnütz, alles, Schmerz, Thränen und die schlaflosen Nächte. Der Geistliche entfernte sich mit bösen Worten gegen sie, aber die arme Elisa wußte, daß sie unschuldig war, und fuhr in ihrer Arbeit fort.
Die kleinen Mäuse liefen auf dem Fußboden, sie schleppten Nesseln zu ihren Füßen hin, um doch etwas zu helfen, und die Drossel setzte sich an das Gitter des Fensters und sang die ganze Nacht, so munter sie konnte, damit Elisa den Mut nicht verliere.
Es war nicht mehr als Morgendämmerung, erst nach einer Stunde konnte die Sonne aufgehen, da standen die elf Brüder an der Pforte des Schlosses, und verlangten, vor den König geführt zu werden. Das könne nicht geschehen, wurde geantwortet, es sei ja noch Nacht, der König schlafe und dürfe nicht geweckt werden. Sie baten, sie drohten, die Wache kam, ja selbst der König trat heraus, und fragte, was das bedeute; da ging die Sonne auf, und es waren keine Brüder mehr zu sehen, aber über das Schloß flogen elf wilde Schwäne hin.
Aus dem Stadtthore strömte das Volk, es wollte die Hexe verbrennen sehen. Ein alter Gaul zog den Karren, auf dem sie saß; man hatte ihr einen Kittel von grobem Sackleinen angethan, ihr herrliches Haar hing lose um das schöne Haupt, ihre Wangen waren totenbleich, ihre Lippen bewegten sich leise, während die Finger den grünen Flachs flochten; selbst auf dem Wege zu ihrem Tode unterbrach sie die angefangene Arbeit nicht, die zehn Panzerhemden lagen zu ihren Füßen, an dem elften strickte sie. Der Pöbel verhönte sie:
»Sieh die Hexe, wie sie murmelt! Kein Gesangbuch hat sie in der Hand, nein, mit ihrer häßlichen Gaukelei sitzt sie da. Reißt sie ihr in tausend Stücke!«
Man drängte auf sie ein und wollte die Panzerhemden zerreißen; da kamen elf weiße Schwäne geflogen, die setzten sich rings um sie auf den Karren und schlugen mit ihren großen Schwingen. Da wich der Haufen erschrocken zur Seite.
»Das ist ein Zeichen des Himmels! Sie ist sicher unschuldig!« flüsterten viele, aber sie wagten nicht, es laut zu sagen.
Nun ergriff sie der Büttel bei der Hand, da warf sie hastig die elf Panzerhemden über die Schwäne und alsbald standen elf schöne Prinzen da; aber der jüngste hatte einen Schwanenflügel anstatt des einen Armes, denn es fehlte ein Ärmel in seinem Panzerhemde, den hatte sie nicht fertig bekommen.
»Nun darf ich sprechen!« sagte sie, »ich bin unschuldig.«
Das Volk, welches sah, was geschehen war, neigte sich vor ihr, wie vor einer Heiligen; aber sie sank ohnmächtig in der Brüder Arme, so hatten die Spannung, Angst und Schmerz auf sie gewirkt.
»Ja, unschuldig ist sie!« sagte der älteste Bruder, und nun erzählte er alles, was da geschehen war, und während er sprach, verbreitete sich ein Duft, wie von Millionen Rosen, denn jedes Stück Brennholz im Scheiterhaufen hatte Wurzel geschlagen und trieb Zweige; da stand eine duftende Hecke, hoch und groß mit
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