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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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ja nicht ausgesucht habe) völlig unleidlich finde, ist das, was Sie selbst so freundlich als Ihre Vergeßlichkeit, kritischere Gemüter aber eher als Ihren Leichtsinn und Ihre Treulosigkeit bezeichnen. Bitte unterbrechen Sie mich nicht. Ich ahne, daß Leontine ähnlich empfindet, hätte sie Sie sonst wohl zu mir geschickt? Es gilt also zunächst, Sie für Ihren Dienst zu markieren, damit Sie nichts vergessen. Deshalb werde ich Sie brandmarken mit dem Flammenzeichen, in dem ich und Leontine sich vereinen. Seien Sie so gütig, Ihr Hemd aufzuknöpfen.«
    Das erste Mal während dieses Gesprächs verlor der Elb seine Fassung. Er rang nach Atem. »Soll ich mich gleich einem Sklaven zeichnen lassen, ich, Tar-Ciryatan, ein Fürst und Großer unter den Erstgeborenen? Welch ein kleinlicher und niedriger Gedanke, Darenna, wahrhaft entsprechend Ihrer Gesinnung!«
    Der andere zuckte die Achseln. »Ich sehe schon«, krächzte er, »daß es weit bequemer ist, zu behaupten, man trage Leontine im Herzen, als sie offenkundig über dem Herzen zu tragen. Welch ein Getue aus Eitelkeit! Habe ich Ihnen etwa zugemutet, ein Mal auf der Stirn spazierenzuführen oder Ihnen die Handgelenke im Kettenmuster zu tätowieren? Es geht um Ihr Herz, und wenn Sie fragen, ob es schmerzt: Ja, es schmerzt, mein empfindsamer Held aus einem Volk, das sich nicht zum Leid geschaffen glaubt, es schmerzt, wenn ich es anbringe, und es wird stets zu spüren sein, ein leichtes Brennen, als habe man Sie mit Nesseln gestreichelt, und nun mögen Sie empfangen oder mein Haus verlassen.«
    Schweigend öffnete Klinger die Knöpfe seines Seidenhemds. »Ist es für immer?« fragte er leise.
    »Es vergeht, sobald die Prüfung bestanden oder sonstwie beendet wurde«, sagte Darenna sachlich. »Halten Sie still.« Er beugte sich vor und hauchte einmal kurz über die Haut des anderen. Klinger ächzte. Über seinem Herzen erschien ein glühendrotes Mal in Gestalt einer Flamme, tief eingegraben, dunkel umrandet. »Das Dunkle ist nur Ruß«, bemerkte der Magier gelassen, »Sie können es wegwaschen. Noch ein Glas Quellwasser gefällig?« Ohne eine Antwort abzuwarten, füllte er Klingers Becher erneut, und der trank in langen Zügen. Indessen fuhr der Magier ungerührt fort: »Zum zweiten habe ich vor, Ihnen für die Zeit Ihrer Prüfung einen Wächter beizugeben, der dafür sorgen wird, daß Ihre Vergeßlichkeit Ihnen keinen Streich spielt. Trotz eines gelinden Brennens über dem Herzen kann man sehr wohl imstande sein, tief in ein Paar schöne Augen zu blicken, die nicht Leontine gehören, und falls man wirklich so weit kommt, das Mal zu präsentieren, findet sich wohl auch eine glaubhafte Erklärung. Zu Ihrem Besten will ich Sie behüten lassen. Sind Sie einverstanden?«
    »Ja, wenn ich weiß, wer der Hüter sein wird«, erwiderte Klinger, der sich inzwischen erholt hatte.
    »Kein Hüter«, gab die Exzellenz trocken zurück, »vielmehr eine Hüterin. Damen sind in der Hinsicht unbestechlich. Ich habe für Sie ein Drachenweibchen vorgesehen.«
    Der andere vergaß, den Mund zuzumachen. »Ein Drachenweibchen?« wiederholte er tieftraurig. »Und wenn ich nicht pariere, werde ich gefressen, ja?«
    »Damit wäre niemandem gedient«, erwiderte Darenna pedantisch. »Ein kleiner Feuerstoß ist alles, was Sie zu erwarten hätten, ähnlich dem eben, nur ohne sichtbare Folgen für Sie oder die jeweilige Dame. Falls es so weit kommt. Drachen sind sehr wachsam und haben einen hohen Abschreckungswert.«
    »Das will ich Ihnen glauben! Ein Drachenweibchen, wie grauslich! Außerdem, beim besten Willen, Exzellenz, es geht nicht. Man nimmt mir ja einiges an Launen ab, aber ich wage mir nicht vorzustellen, was für ein Tumult losgeht, wenn ich in Wien, in Milano, in London mit einem Drachen auftauche! Und wie bekomme ich das Monster ins Auto, ins Flugzeug, gar ins Hotelzimmer? Sie wollen mich ruinieren.« Er sah deprimiert vor sich hin. »Und die Ernährungsfrage? Was frißt so ein Ungeheuer? Jungfrauenfleisch, wenn ich mich recht erinnere.«
    Der Magier schüttelte mißbilligend den Kopf. »Daß Sie einen nie zu Ende anhören können, immer voreilig Schlußfolgerungen ziehen! Bin ich denn ein Narr oder ein Wahnsinniger, daß ich nicht weiß, was ich tue?« Er lächelte eitel. »Wenn ich vorhin sagte, meine Erfahrungen mit der Aufzucht lebender Objekte seien begrenzt, so trifft das nur auf konventionelle Tiere zu. Mit sogenannten Fabelwesen habe ich in der letzten Zeit sehr erfolgreich

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