Märchen von den Hügeln
Brandes vier Jahrzehnte zurückliegt.«
»Mit dem Glauben können Sie es halten, wie Sie wollen«, schnarrte der Magier. »Ich erwarte nur, daß Sie mich anhören.- In der Nacht des großen Brandes, mit dem man mich, wie Sie sicher wissen, so oder so in Verbindung bringt. . .«, er warf einen Stecknadelblick zu dem anderen, aber in dessen Zügen rührte sich nichts, »in jener Nacht also standen viele meiner Adepten am Ufer des Stromes, um jenen Hilfe zu leisten, die sich aus der Stadt vor der Vernichtung hatten über das Wasser retten können und nun halb erstarrt und ganz verzweifelt bei uns antrieben. Inmitten des entsetzlichen Treibguts gewahrten sie eine Eisscholle, auf der etwas Dunkles lag und wimmerte. Mit ihren langen Haken lenkten sie deshalb die Beute an Land, in der Meinung, es handle sich um ein Kind oder einen Verletzten. Wie groß war aber ihr Erstaunen, als sich das Dunkle als ein großes Nest aus Rauten und Lorbeerzweigen entpuppte, in dem auf ein paar zerknüllten Purpurschärpen ein maunzendes Löwenjunges hockte, mit vor Angst gesträubtem Fell und weit aufgerissenem Schnäuzchen.
Man brachte den merkwürdigen Fang zu mir. Ich verbrannte das dumme Nest samt den nutzlosen Lumpen und entschloß mich, das kleine Löwenweibchen aufzuziehen. Ich nannte es Leontine. Sie werden begreifen, verehrter Herr Klinger, daß einem Mann wie mir die Arbeit mit der toten Materie näherliegt als die mit dem lebenden Objekt. Aber trotzdem hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, diesen seltsamen Fund eigenhändig zu versorgen. Irgendwie - ehüm - lag mir etwas daran. Ob es nun meine mangelnde Kenntnis auf diesem Sektor war oder andere Imponderabilien - kurzum, die kleine Löwin gedieh prächtig, entwickelte Neigung, Temperament, Leidenschaften und Intelligenz, war gelehrig und reizend. Aber sie wuchs nicht.
Das ging so Jahre um Jahre, und alles in meiner Umgebung hatte sich daran gewöhnt, daß das Löwenfräulein so handlich und niedlich bleiben würde. Da fanden wir zu unserer Trauer eines Morgens Leontine regungslos auf ihrem Lager. Es zeigte sich jedoch, daß sie nicht tot war, ihr Herz schlug langsam, aber gleichmäßig, ihre Glieder erstarrten nicht und wurden nicht völlig kalt. Sie schien in eine Art Winterschlaf verfallen zu sein, einen Zustand, der, wie sich herausstellte, der Verkapselung einer Raupe nahe kam.
Der Winter ging ins Land, der Sommer brachte Sonnengluten und dürre Felder, es war sehr heiß in jenem August vor siebzehn Jahren.«
Der Magier machte eine Pause, um seinem inneren Feuer mit einem Schluck gebrannten Wassers aufzuhelfen. Seine Augen glänzten, offenbar erinnerte er sich gern jenes glühenden Sommers.
Klinger zog ein nachdenkliches Gesicht. Mehr zu sich selbst murmelte er halblaut: »In jenem Winter sang ich das erste Mal auf der anderen Seite des atlantischen Wassers. Die große Stadt behinderte mich am Fliegen, die Wände des Hotelzimmers schienen auf mich einzudringen, ich war sehr traurig. Als der Sommer kam, war ich noch immer dort, und die geliebte Sphinx stand vor meinen Augen eindringlicher denn je. All meine Sehnsucht versammelte sich in ihr, ich liebte brennend, sie war die Stadt, der Strom, die Hügel, zu denen ich zurückkehre, seit mein Volk hier die erste Rebe pflanzte . . .«
Darenna beachtete den Einwurf nicht. Er fuhr fort: »An einem dieser schönen heißen Augustmorgen rief uns ein dünnes Quäken zum Löwenlager. Von der Katze keine Spur. Statt dessen zappelte dort ein Säugling, nackt und bloß und auf ein Löwenfell gebettet. Es war ein hübsches und gesundes Mädchen - eben Leontine, die ich sofort an Kindes Statt annahm und die all jene Hoffnungen, die ich durch dreiundzwanzig Jahre in die kleine Löwin gesetzt hatte, auf die schönste Weise übertraf. Nun, Sie kennen das Mädchen ja. Ob Sie diese Geschichte glauben oder nicht, Herr Klinger, das bleibt Ihre Sache. Jedenfalls haben sich meine väterlichen Rechte durch den geänderten Sachverhalt nicht geschmälert.«
»Wahrhaftig nicht«, sagte Klinger leise. »Vieles an dieser seltsamen Geschichte berührt mich auf eine Weise, als müsse es wahr sein. Wie dem auch sei - Leontine hat Sie angenommen. Ich erwarte Ihre Weisungen.«
»Wohl, wohl«, krähte der Magier genüßlich, und einer seiner schnellen Blicke fuhr unter den buschigen Brauen hervor. »Springen wir denn mitten hinein ins Vergnügen.«
Eine kleine Abmachung
»Die Eigenschaft, die ich an einem künftigen - ehüm - Schwiegersohn (den ich mir
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