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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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Elben hatte sein unfehlbares Ohr nicht getrogen. Es war in der Tat das Geklimper von Leontines Fußspange gewesen, was da zu hören war. Ahnungslos, wer dort drinnen über sie verhandelte, wollte sie bei beginnender Nacht auf die andere Seite des Grundes. Leichtfüßig lief sie bergab auf Wegen, die ihr auch im Dunkeln vertraut waren, überquerte den Grund und begann den Aufstieg zu Klingers verborgenem Haus.
    Sie benutzte die alten schmalen Pfade, die noch von dem Schönen Volk selbst angelegt waren, Vertrauen von Haus zu Haus zu tragen: Stiegen und Treppen, Leitern und Gänge zwischen efeuüberwucherten Häusern und vergessenen Gärten. Jetzt verfielen diese Steige, Gras und Kraut überwucherten sie, die Stufen bröckelten, denn die Menschen gingen hier kaum noch. Sie hatten sich andere Straßen gebaut, die weder zu steil noch zu schmal waren, wenn sie mit ihren Autos kamen.
    Von überallher vernahm sie ein feines Rieseln. Das waren die Quellen, die unterirdisch zu Tal flossen. Oben rauschten die Bäume, und von den Häusern der Menschen schimmerten hier und da Lichter durchs Geäst, klangen verwehte Stimmen.
    Das Mädchen ging schnell und sicher. Sie kannte jeden lockeren Stein, jede Vertiefung im Boden, jede zerbrochene Stufe. Das Haus des Elben war auf allen Seiten von undurchdringlichen Hecken aus Dorngeträuch umgeben und verborgen hinter den hohen Bäumen eines Parks, der wie längst verlassen wirkte. Leontine fand den Durchschlupf, der nur ihr vertraut war, und eilte zu auf das wabenförmige, gleichsam wie aus der Erde erwachsene Gebilde inmitten von Lorbeer, Myrten und Oleander.
    Um keine Bäume fällen zu müssen, hatte Klinger das Haus um sie herumbauen lassen. Zwei dicke Spitzeichen flankierten die Tür aus Bergkristall, und die Kronen der Linden, die aus dem Wohnzimmer wuchsen, überschatteten das Dach. Der Fußboden, wußte Leontine, bestand dort aus Rasen. Alles war dunkel, nur durch den Kristall der Tür schimmerte ein mattes Licht. Das Mädchen zögerte, dann drückte sie den Klingelknopf, ein heller Ton fuhr durch die Stille. Nichts regte sich.
    Schon wollte sie sich zum Gehen wenden, als es im Innern des Hauses plötzlich zu läuten begann; ein zarter Glockenton wie von einer Spieluhr formte eine Melodie, ein Lied, das sie wohl kannte, dessen Worte waren: »Guten Abend, mein tausiger Schatz.« Leontine lächelte: »Schelm, willst du mich necken? Läßt du, wo du nicht daheim bist, irgendwelche Geisterchen musizieren? Und wohin bist du ausgeflogen?«
    Antwortete von drinnen die nächste Musik: »Des Abends kann ich nicht schlafen gehn.«
    »Ach«, sagte Leontine, »wer weiß, wen du besuchst. Ich kehre um. Hast du auch darauf eine Antwort?«
    Gleich kam es: »Wo gehst du hin, du Stolze?«
    »Ich glaube gar, das Haus selber redet mit mir in den Zungen der Lieder. Das ist ein artiges Vergnügen und, wenn du schon nicht da bist, ein besserer Zeitvertreib, als über den Büchern zu hocken, wie es mein Vater will. Was hast du noch zu sagen? Liebst du mich noch?«
    Da klang das Geläute: »Du mein einzig Licht, die Lilj’ und Ros’ hat nicht, was an Farb’ und Schein dir möcht ähnlich sein.«
    Sie hielten noch eine Weile scherzhafte Zwiesprache, das Haus und das Mädchen, dann warf sie eine Kußhand gegen die klingende Wabe und ging. Als sie sich aber jenseits der Hecke noch einmal umdrehte, war da plötzlich kein Fenster, das nicht erleuchtet war, die Terrassen und Altane flammten im Glanz der Lampen, und das Dach glänzte golden durch die großen Bäume einen Abschiedsgruß. Lachend wandte sie sich ab und beschloß, die wundersame Bahn zu nehmen, um in den Grund zu gelangen.
    Mit dieser Bahn hatte es seine Bewandtnis. Vor einem Jahrhundert war Exzellenz Darenna auf den Gedanken verfallen, den Menschen auf seiner Seite der Hügel den beschwerlichen Weg vom Grund zum Wald zu erleichtern. Er ersann ein kunstreiches Fahrwerk: zwei von Maschinen und Seilen gezogene Wagen, die wie Käfer am Rand eines Kruges die Steigung und Neigung gemächlich überwanden, so daß sich niemand mehr mit Lasten abzuquälen oder seine Füße zu strapazieren hatte, wenn er nicht wollte. Das Wunderwerk war so zuverlässig ersonnen, daß es bis zum heutigen Tag den Weg auf und ab lief. Um seinen Gang eben zu gestalten, hatte der Magier an zwei Stellen den Berg durchbohren und zu einem beleuchteten Schacht ausbauen lassen, durch den die Bahn zu kriechen hatte. Diese beiden Löcher im Berg aber erregten den Zorn des Elben, dem

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