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Maerchenerzaehler

Maerchenerzaehler

Titel: Maerchenerzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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einen Pakt geschmiedet, um sie zu verwirren? Wem sollte sie was nicht glauben? Oder anders gefragt: Wem sollte sie glauben?
    »So«, sagte Micha und schloss die letzte Plastikschnalle. »Mit denen bin ich jetzt so schnell, dass ich direkt vor dem dreizehntenMärz beim Festland ankomme. In der Geschichte, du weißt schon.« Sie hielt sich an Anna fest, stand auf und stakste ein Stück übers Eis.
    Dann machte sie längere Schritte und schließlich begann sie zu gleiten. Anna sah ihr nach. Sie hatte nicht gewusst, dass Micha Schlittschuh laufen konnte, sie hatte gedacht, sie müsste es ihr erst zeigen. Aber die rosa Daunenjacke flog nur so über die Eisfläche dahin, und Micha warf ihre Arme hoch und jauchzte und drehte sich um sich selbst, ohne zu fallen: eine wahre kleine Königin.
    »Wir trauen den Kindern zu wenig zu«, murmelte Anna. »Sie können ganz gut auf sich selbst aufpassen … aber was ist am dreizehnten März?«
    Sie ging langsam über das Eis zu Abel hinüber. »Ich wusste nicht«, sagte er, »dass sie Schlittschuh laufen kann. Wir trauen den Kindern wohl zu wenig zu.«
    »Und du?«, fragte Anna. »Kannst du Schlittschuh laufen?« Sie bückte sich und holte ihre eigenen Schlittschuhe aus dem Rucksack und noch ein Paar: die von Magnus.
    Abel schüttelte den Kopf. »Ich habe es nie versucht. Ich werde hier stehen bleiben und euch zusehen.«
    »Oh nein«, sagte Anna, »ohne dich laufen wir nicht.«
    Kurze Zeit später stand Abel neben ihr auf dem Eis, unstet auf den Beinen, hilflos wie ein neugeborenes Fohlen, und sie lachte über sein Gesicht. Sie nahm ihn an beiden Händen und fuhr rückwärts, zog ihn in weiten Schlangenlinien durch den Schnee, weit, weit hinaus aufs Eis.
    »Beweg dich einfach mit!«, rief sie. »Die Knie! Du musst die Knie bewegen! Du hast Gelenke dort, weißt du? Es ist ganz leicht!«
    »Nein!«, rief er. »Ich habe keine Kniegelenke! Ich …« Und sielandeten beide auf dem Eis, in einem unsinnig verknoteten Haufen, und Micha stürzte sich mit in den Haufen, weil es sich gerade so ergab, und irgendwie fanden sie ihre jeweiligen Arme und Beine wieder und begannen von Neuem. Sie nahmen Abel jeder an einer Hand, sie versuchten, ihn zu schieben und zu ziehen und ihm von ferne zuzurufen, was er tun sollte – es war unmöglich, Abel das Schlittschuhlaufen beizubringen. Es war katastrophal. Es war die wunderbarste Sache der Welt. Anna bekam Seitenstechen vor Lachen, sie hatte Schnee im Haar, Schnee im Mund, Schnee in den Schuhen, aber in ihrem Kopf schien die Sonne so hell, dass sie beinahe nichts erkennen konnte. Später würde sie denken, dass diese Tage ihre allerschönsten waren, dieser und der nächste. Sie würde immer das flirrende Eislicht in den blassblonden Haaren von Micha und Abel sehen, sie würde immer ihr Lachen hören, es war ein so unbeschwertes Lachen, ein Lachen aus einer Welt, in der es keine Leichen und keine Sozialämter gab und in der niemand jemals verschwunden war.
    Irgendwann lagen sie alle drei nebeneinander auf dem Eis, flach auf dem Rücken, und Abel sagte: »Im Sommer, wisst ihr … im Sommer möchte ich hier mit euch im Wasser schwimmen. Wir schwimmen auf dem Rücken, so ähnlich wie jetzt, nur dass der Himmel eine ganz andere Farbe haben wird. Und das Wasser wird warm sein und blau und die Segler werden an uns vorbei nach Rügen hinausfahren.«
    »Und wir essen Eis«, fügte Micha rasch hinzu.
    »Natürlich«, sagte Abel und rollte sich auf den Bauch. »Und wir liegen im Sand herum und wir spielen Ball und bauen Burgen …«
    »Mit Seetang als Verzierung und Kiefernzapfen als Bewohnern«, ergänzte Anna.
    »Wenn der Sommer kommt, wird es kein schwarzes Schiff mehr geben, das uns verfolgt«, sagte Abel. »Und keine Probleme mehr. Wenn der Sommer kommt, werde ich achtzehn sein.«
    »Der dreizehnte März …«, begann Anna.
    »An diesem Tag erreichen wir das Festland«, sagte Abel und lächelte.
    »Und wir feiern Geburtstag«, sagte Micha. »Abels Geburtstag. Dann ist er nämlich erwachsen, mit einem Schlag, weißt du, Anna, und dann kann er richtig wirklich mein Vater sein. Das ist schon nächste Woche. Am Mittwoch.«
    Anna wollte sagen, dass sie sich mit dem Vatersein nicht sicher war und dass die Gesetzeslage vermutlich komplizierter war, als Abel und Micha sich das vorstellten. Sie sagte es nicht. Sie sagte: »In meinem Rucksack ist eine Thermoskanne Kakao.«
    »Oh ja, und wir haben Kekse!«, rief Micha und sprang auf, und dann schoben und zerrten sie

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