Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maerchenerzaehler

Maerchenerzaehler

Titel: Maerchenerzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
träumst du von deinem Studenten?«
    »Welchem Stu… ach so, dem Studenten«, sagte Anna. »Ja. Ja, wahrscheinlich. Ich glaube, ich gehe einen Moment an die frische Luft. Ich brauche ein paar doppelte O.«
    »Wie?«, fragte Gitta und lehnte sich an Hennes. »Wovon redest du, mein Kind?«
    »O 2 , Gitta«, sagte Anna. »Sauerstoff.«
    Sie stand auf und begann sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen, denn inzwischen drängten sich zu viele Leute mit Gläsern in der Hand zwischen den Tischen. »Warte«, sagte jemand hinter ihr. Bertil. »Anna! Ich komme mit.«
    Anna schüttelte den Kopf. »Danke, Bertil«, sagte sie, »aber ich wäre gern allein. Nur einen Moment, ja? Ich …« Ich möchte nachsehen, dachte sie, ob die Sterne hier auch einen Hund und einen Wolf bilden und wie viele Jäger es am Himmel gibt. »Ich … komme gleich wieder«, sagte sie.
    Die Kälte draußen schlug ihr ins Gesicht wie eine Wand. Sie hätte, dachte sie, den Mantel anziehen sollen. Sie steckte die Hände in die Ärmel ihres Pullovers und sah, dass sie nicht die einzige Person war, die frische Luft schnappte. Links des Eingangs gab es einen kleinen Alutisch mit einer Bank, die eher im Sommer benutzt wurde, und dort standen ein paar Typen, die sich an ihren Bierflaschen festhielten, Typen, die Anna nicht gefielen, zwei davon mit sehr kurzem Haar und bulligen Nacken wie Stiere. Sie machte einen Schritt zur Seite, beinahe unwillkürlich, und dann hörte sie eine Stimme, die sie kannte. Die Stimme nannte eine Zahl, einen Preis, und Anna sah noch einmal hin. Es war eine Stimme, die sonst andere Worte sagte, klingende Worte, Märchenworte. Abel. Natürlich, Abel auf seiner nächtlichen Runde durch die Kneipen. Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, ihn zu treffen, sie hatte gedacht, er wäre mehr in den Plattenbauvierteln unterwegs, aber natürlich gab es dort nicht viele Kneipen, und die Innenstadt war voll davon. Sie fühlte, wie ihr warm wurde, auf eine gute und freundliche Art warm, es warseltsam, sie hörte ihn mit diesen Typen reden, die ihr Angst einjagten, sie traf ihn beim Stoffverticken, und dennoch wurde ihr warm.
    »Hey, Kleene!«, rief einer von ihnen. »Haste Feuer für mich?« Er kam zu ihr herüber, gefolgt von den anderen, eine Zigarette zwischen den Fingern. »Mein Feuerzeug is kaputt«, sagte er und sah sie auf eine Art an, die sie nicht mochte. Anna dachte, dass es eine gute Idee wäre, jetzt wieder hineinzugehen, aber die beiden Typen standen zwischen ihr und der Tür. Sie wusste nicht, wie nüchtern sie waren.
    »Sorry«, sagte sie, »nein. Ich rauche nicht.«
    »Siehste, Kevin, sie raucht nicht«, sagte ein anderer Typ. »Det is vernünftig. Da musste dir schon ’ne bessre Anmache einfallen lassen.« Die beiden standen unangenehm nah. Verdammte Scheiße, dachte Anna, warum bin ich gerade jetzt rausgegangen? Warum allein? Abel würde ihr nicht helfen, Abel würde sie nicht kennen, genau wie in der Schule.
    Kevin ließ eine ihrer Haarsträhnen durch seine Finger gleiten. Doch da legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter. Eine linke Hand, die ihn mit einem kräftigen Ruck zurückriss, von Anna weg. Es war Abels Hand.
    »Lass sie in Ruhe«, sagte er.
    »Hallo … Abel«, sagte Anna. Mehr bekam sie nicht heraus.
    »Sag bloß, so heißt du, Tannatek«, meinte Kevin. »Abel? Was’n das für ’n Name? Und wer is’ sie ?«
    »Das ist Anna«, antwortete Abel und legte einen Arm um sie. »Und du lässt die Finger von ihr, wenn du kein Problem mit mir kriegen willst, verstanden?«
    »Hey, ganz ruhig, reg dich nicht auf«, sagte Kevin. Abel war sicher zehn oder zwanzig Kilo leichter als Kevin, der Stiernacken. Doch auf eine unerklärliche Weise schien er Respekt vor Abel zu haben.
    »Das heißt … ist sie etwa dein Mädchen?«, fragte der andere Typ ungläubig. »Ich dachte, du …«
    »Denk nicht zu viel«, meinte Abel. »Davon kann man Geschwüre am Kopf kriegen, weißt du, Marcel?«
    Kevin lachte und Abel zog Anna ein Stück beiseite.
    »Was tust du hier?«, fragte er leise.
    »Gitta und die anderen sitzen drinnen«, sagte Anna. »Ich wollte nur an die Luft …«
    Abel legte die Hände auf ihre Schultern. »Du frierst ja. Du zitterst.«
    Sie nickte. »Aber das ist nicht so wichtig.«
    »Natürlich ist es wichtig«, sagte Abel, und dann, leise, mit einem irgendwie privaten Lächeln: »Rosenmädchen. Ich habe dir gesagt, dass die Ranken verwelken werden und du frieren wirst. Du wolltest an Bord bleiben …«
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher