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Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
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daß in den früheren Jahren des Lebens die Phantasie am kräftigsten sich regt, und daß das Wunderbare und Außerordentliche ihre eigentlichste Nahrung zu seyn scheint.

     
    Die Phantasie ist dem Menschen vom Schöpfer als eine freundliche Gespielinn seines Geistes, als die vertrauteste Gesellschafterinn durchs Leben zugesellt; und in dem Triebe zum Wunderbaren liegt der Keim zur Vorahnung eines Höheren und Unendlichen außer uns, welche wiederum die Grundlage aller Religion ist.

     
    Dieser, von dem weisesten Schöpfer selbst gemachten Einrichtung dürfen wir nicht, als etwas Fehlerhaftem, entgegenarbeiten, wir müssen vielmehr die zu höheren Zwecken dem Geiste verliehenen Anlagen mit gebührender Achtung und Sorgfalt bilden und leiten, damit sie nicht, sich selbst überlassen, ausschweifen und entarten, oder endlich ganz verloren gehen.

     
    Und hierzu bietet sich uns kein kräftigeres und zweckmäßigeres Mittel dar, als eben das Mährchen, welches in dem Kindheitsalter der Völker entstanden, dem aufwachenden geistigen Leben des Kindes ganz vorzüglich zusagt, und seinem Bedürfniß befriedigend entgegen kommt.

     
    Daher die allgemeine Erfahrung, daß die Kinder Alles stehen und liegen lassen, uns selbst ihr liebstes Spielwerk bei Seite legen, wenn Mährchen erzählt werden; ja, es ist auffallend, daß sie ein und dasselbe Mährchen wohl hundert Mal, und mit immer gleicher Aufmerksamkeit anhören, da sie bei der Mittheilung wahrer Begebenheiten, oder sogenannter moralischer Erzählungen, nur zu bald ermüden, und Ueberdruß empfinden. Ganz natürlich! Das Kind fühlt sich nie glücklicher, als wenn es imaginirt, und sich sogar in fremde Situationen und Personen dichtet, und es erwacht daher ungern aus diesem zauberischen Traum der Wahrheit, – wie Herder sich ausdrückt.

     
    Man befürchte übrigens gar nicht, daß dadurch die Liebe zum Wunderbaren zu sehr begünstigt, und dem Aberglauben und der Wundersucht eine schädliche Nahrung dargereicht werde! Dem aufkeimenden Kindergeiste ist Alles ein Wunder, und je mehr der Verstand über die Naturgesetze und ihre Wirkungen aufgeklärt wird, desto mehr verliert sich auch das Wunderbare, und dem Kinde bleibt späterhin nur die süße Erinnerung an die heitern Phantasie-Genüsse seines glücklichen Jugendmorgens. –

     
    Aber das Mährchen gewährt nicht nur, neben der Bildung der Phantasie, eine ergötzliche Unterhaltung, es ist auch für die sittliche Erziehung der Jugend von großer Wirksamkeit. Denn es ist nicht zu verkennen, daß in den Mährchen ein Schatz vortrefflicher Sittenlehren enthalten ist, die wegen der ansprechenden Form, in welche sie gehüllt sind, um so eher den Eingang in die jugendlichen Herzen finden, als jene trockenen Belehrungen aus irgend einem Sitten- und Tugend-Katechismus, oder die absichtlich verfaßten moralischen Erzählungen, die oft langweilig genug sind, um alles Interesse daran zu hemmen und zu tödten. Mit Recht bemerkt daher der verewigte Herder, daß in den Mährchen eine Ernte von Weisheit und Lehre liege, und daß keine andere Dichtung dem menschlichen Herzen so feine Dinge so fein zu sagen verstehe, als eben das Mährchen.

     

     
    Diese Ansichten, die ich für die richtigsten halte, haben mich bestimmt, aus dem großen Vorrathe der mir zu Gebote gestandenen Mährchen diejenigen nach sorgfältiger Prüfung auszuwählen, die mir für das frühere Kindesalter die geeignetsten schienen, und sie den Aeltern und Kinderfreunden, die gern mit den geliebten Kleinen ein Stündchen, besonders im traulichen Familienkreise, verplaudern, als einen angenehmen und bildenden Stoff darzubieten: denn erzählt, oder doch frei vorgelesen müssen die Mährchen werden, wenn sie Reiz behalten, und Wirkung thun sollen 1 . – Wir besitzen zwar schon eine ähnliche Sammlung in zwei starken Bänden von Löhr; aber ich kann diese nicht unbedingt empfehlen. Sie enthält ein buntes Gemisch von Einheimischen und Fremdartigen, und ein großer Theil der Mährchen ist so beschaffen, daß ich Bedenken tragen würde, sie vor die Anschauung des Kindes zu bringen.

     
    Uebrigens habe ich nicht bloß gesammelt und abgeschrieben, sondern mit mehrern der vorliegenden Mährchen, wie ich glaube, zweckmäßige Veränderungen vorgenommen, und mich bemüht, den Vortrag möglichst leicht, einfach und gemüthlich zu machen, worin die Gebrüder Grimm und ihr Namensverwandter, Alb. Ludw. Grimm, musterhaft sind.

     
    Lehnert.

     

     
    Fußnoten

     

     
    1

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