Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).
Vorwort.
Ob das Mährchen für Kinder gehöre, oder ihnen ganz entzogen werden müsse? Darüber sind die Urtheile noch verschieden.
Viele, – und dies sind die Einsichtsvollsten und Erfahrensten, – erklären sie für ein vortreffliches Bildungsmittel, und wollen sie auf keine Weise aus der Erziehung verbannt wissen. Einige dagegen verwerfen sie als verderblich und schädlich: denn sie meinen, daß durch diese »wunderlichen Zaubergeschichten« der Geschmack nothwendig verderbt, die Phantasie verwöhnt, der Blick in das Leben getrübt, und der Kopf des Kindes mit lauter falschen, abentheuerlichen und verkehrten Ideen angefüllt werden müsse, gerade wie der Roman nachtheilig für die Erwachsenen wirke.
Diese Ansicht ist aber ganz falsch, weil sie gegen alle Erfahrung ist, und gilt höchstens nur von den schlechten, phantastischen Mährchen, die durch übertriebene, wunderbar wechselnde Erscheinungen und bizarre Sprünge belustigen, oder durch allerlei verführerische Liebesabentheuer bezauberter Prinzen und Prinzessinnen das unschuldige Gemüth beflecken, und mit seltsamen, wollüstigen Bildern verunreinigen. Dergleichen Mährchen gehören aber nicht in den Kreis der Kinderwelt, und wer sie da hineinzieht, versündigt sich an dem aufblühenden Geschlecht, und hat sich selbst die Schuld beizumessen, wenn er, anstatt zu nützen Schaden stiftet und verbildet.
Nur von guten Mährchen kann hier die Rede seyn, von solchen, die, mit Beseitigung alles Abentheuerlichen, Fratzenhaften und Gespensterartigen, die Phantasie und das Gemüth des Kindes durch reine, heitere Bilder und Begebenheiten angenehm beschäftigen, und wegen ihres moralischen Inhalts zugleich auch das sittliche Gefühl mannichfaltig wecken und beleben.
Solche Mährchen sind nie schädlich, und wer ihnen ihren Werth in der Erziehung absprechen wollte, der würde das geistige Bedürfniß des Kindes durchaus verkennen, und sich selbst eines der besten und bildendsten Unterhaltungsmittel für die Jugend berauben.
Schon eine flüchtige Beobachtung lehrt uns,
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