Märchenwald Mörderwald
nicht.
Ich wollte hören, in welcher Entfernung der suchende Riese herumtappte.
Ja, da gab es Geräusche, aber die waren leise und hörten sich auch nicht so an, als würden sie schnell näher kommen.
Ich wartete nicht länger. Ein Plan hatte in meinem Kopf längst Gestalt angenommen. Er steckte voller Risiken, es konnte auch schief gehen, aber mir blieb keine andere Wahl.
Der Teich musste meine Rettung werden.
Dabei vermied ich es, über den Riesenfisch nachzudenken, der aus dem anderen Gewässer gesprungen war. Wenn so einer oder ein ähnliches Lebewesen in diesem Wasserloch existierte, war ich doppelt genäht.
Ich glitt jetzt deckungslos durch das Gras, dessen weiche Halme mein Gesicht streichelten. Okay, ich bekam die Dinge in den Griff, dachte auch nicht an meinen Verfolger und merkte nur, dass ich mit den Händen ins Wasser rutschte.
Ich hatte den Schilfgürtel erreicht. Es war verdammt nicht leicht, sich durch den Gürtel aus Schilf zu bewegen. Die Halme sollten auch nicht knacken und sich nicht zu heftig bewegen. Irgendwelche Auffälligkeiten konnte ich mir nicht erlauben.
Nachdem es mir mit einiger Mühe gelungen war, den Gürtel zu durchschlängeln, wobei mir auch entgegenkam, dass die Rohrstängel an dieser Stelle recht weit auseinander standen, konnte ich mich ins Wasser gleiten lassen.
Kurz zuvor war mir noch der Verfolger aufgefallen. Welches Geräusch der Riese hinterlassen hatte, war mir nicht klar geworden, aber es hatte schon näher geklungen. Als würde er den Teich bald erreicht haben.
Ich knickte mir noch schnell ein einzeln stehendes, stärkeres Rohr ab.
Besonders klar war das Wasser nicht. Aber auch nicht ganz trübe. Bevor ich mit dem Kopf unter Wasser glitt, steckte ich mir das lange Schilfrohr in den Mund und drückte dann die Lippen so stark zusammen, dass es zwischen ihnen und dem Rohr keinen Raum mehr gab. So lief ich nicht Gefahr, dass mir Wasser in die Kehle rann. Ich musste auch darauf achten, das obere Drittel des Rohres aus der Wasserfläche ragen zu lassen, damit ich genügend Luft bekam.
Jeder Fisch hatte es besser als ich, das wusste ich, und danach musste ich handeln.
Bevor ich mich weiter in den Teich treiben ließ, legte ich mich auf den Rücken. Es kam darauf an, dass ich eine nicht zu tiefe Stelle erwischte und trotzdem so geschützt lag, dass ich von außen her nicht so schnell entdeckt werden konnte.
Ich hatte tatsächlich das Glück, schon bald den weichen Schlammgrund unter meinem Rücken zu spüren, sodass das in meinem Mund steckende Rohr aus dem Wasser ragen konnte. Es befand sich nahe der anderen Schilfrohre und fiel überhaupt nicht auf.
Für mich hieß es ab jetzt, die Nerven zu bewahren.
Nur nicht die Kontrolle verlieren, nicht durchdrehen, die Angst nicht wachsen lassen, die Ruhe bewahren, und vor allen Dingen mit dem Atmen zurechtkommen.
Nur wenig Luft konnte ich durch das Rohr einatmen. Alles wohl dosiert. Ich hielt mir auch die Nase zu und wünschte mir, in eine Art Starre verfallen zu können.
Um mich herum war alles anders geworden. Die normale Welt schien sich aufgelöst zu haben. Es gab keine klaren Umrisse oder klare Farben mehr. Alles wirkte verschwommen.
Hinzu kam das Atmen. Ich ging dabei wirklich behutsam zu Werke. Es durfte kein Wasser in meinen Mund dringen, denn dann hätte ich sofort auftauchen müssen. Da es bei den ersten Versuchen schon recht gut klappte, entspannte ich mich allmählich. Ich empfand eine gewisse Gelassenheit und gewöhnte mich zudem an meine kalte Umgebung.
Die Augen hielt ich weiter offen. So war es mir auch möglich, die Oberfläche zu sehen. Auf ihr malte sich das ab, was als Schatten von oben herabfiel. Es waren auch keine Bewegungen im Wasser zu spüren, was mir sehr entgegenkam, und dadurch blieb es auf der Oberfläche ebenfalls ruhig. So schwappte kein Wasser in die Rohröffnung.
Wann ich wieder auftauchen konnte, wusste ich nicht. Ich hatte mir keinen bestimmten Zeitpunkt vornehmen können. Da wollte ich einfach meinem Gefühl gehorchen.
Es war klar, dass man nach mir suchen würde. Das mutierte Försterpaar mit seiner Tochter konnte es nicht hinnehmen, dass Eindringlinge sie entdeckt hatten. Ich ging davon aus, dass sie mit mir kurzen Prozess machen würden.
Nur war ich nicht allein. Es gab noch den Lord, und der hatte die Flucht nicht geschafft. Er befand sich wohl nach wie vor in der Gewalt der anderen Seite, und natürlich stellte ich mir die Frage, was mit ihm geschehen war. Ob er noch lebte
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