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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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und gefoltert wurde, weil sie von ihr wissen wollten, was sie der Staatsanwaltschaft über den Mord an ihrem Bruder verraten hatte. Dieser war ebenfalls in Säure aufgelöst worden. Und dasselbe Schicksal war auch für Lea vorgesehen«, erklärte Salvatore Sorrentino, ein Häftling, der mit dem mutmaßlichen Anführer der Entführung, Massimo Sabatino, einsaß. Sabatino soll im Übrigen auch derjenige gewesen sein, der den falschen Waschmaschinenmonteur mimte.
    Salvatore Sorrentino ist der Hauptzeuge im Rahmen der Ermittlungen, die zur Verhaftung der Gebrüder Cosco führte. Die Coscos gelten als die Könige des Kokainhandels im Mailänder Ortsteil Quarto Oggiaro. Sie sind die Herren des Schutzgeldes und der Sozialwohnungen, die sie illegal vermieten, so auch an chinesische Händler aus der Via Sarpi in Mailand. Nicht zuletzt handelt es sich bei ihnen um die »Herren der Erdarbeiten«.
    Denise wurde nach der Verhaftung ihres Vaters wieder ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Sie arbeitet jetzt als Zeugin mit der Justiz zusammen. Sie ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten und lebt jetzt an einem geheimen Ort, wird beschützt. Sie hat am Prozess teilgenommen, der in Mailand verhandelt wurde, als Opfer der ’Ndrangheta. Sie beschuldigte ihren Vater, den Mord an ihrer Mutter begangen zu haben, und riskierte damit ihr Leben. Eigentlich müsste sie ein Vorbild für alle sein, aber Minister Maroni und die Siegelbewahrer haben nicht allzu viele Worte darüber verloren. Es ist eine Region mit schlechtem Kurzzeitgedächtnis. Nur die Vereinigung
Libera
kommt ihr zu Hilfe. Sie unterstützt sie während des im September 2011 begonnenen Prozesses.
    Denise sagt: »Ich habe meinen Vater immer gefürchtet.« Dennoch weicht sie nicht zurück. Sie antwortet auf die Fragen des Anwalts des Vaters und akzeptiert nicht, was ihr diese suggerieren wollen. Ihre Mutter sei ins Ausland geflohen. »Und wie kommt es dann, dass ich meine Mutter zwei Jahre nicht gesehen habe, wenn sie angeblich immer noch lebt? Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario?«, entgegnet die Zwanzigjährige kühl. Von den Gegenpositionen der Anwälte ihres Vaters lässt sie sich nicht einschüchtern. Sie leistet Widerstand, weil sie Gerechtigkeit möchte. Denise ist allein, hat aber ihr ganzes Leben noch vor sich. Ein freies Leben ohne Kompromisse, dafür hat sie einen schrecklich hohen Preis bezahlt. Ihr Kampf wird belohnt. Im März 2012 wird ihr Vater zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zwei Jahren verschärfter Einzelhaft verurteilt.
    Aber die banalste Grundsätze der Menschlichkeit zersetzende Mafia-Mentalität, in der Denise groß geworden ist und von der sie fast besiegt worden wäre, wird sie nicht mehr los. Sie verfolgt sie. Ihr ganzes weiteres Leben werden der Name ’Ndrangheta und die zugehörigen Schreckensbilder ihre Träume bestimmen. Man kann weglaufen, abhauen, sich verstecken, das System und die Gesellschaft revolutionieren, aber wer die ’Ndrangheta aus der Nähe kennengelernt hat, wer von der ’Ndrangheta durch die Mangel gedreht wurde, trägt für sein restliches Leben ein Brandmal.
    Man kann neu anfangen. Sicher. Auch ich habe das in Modena probiert. Ich müsste aber lügen, wenn man von mir zu sagen verlangte, dass alles wieder gut ist, dass die Trauer um die zerstörte Jugend, die gewaltsam auseinandergerissene Familie, den Verlust meines Vaters und Großvaters, der Zorn über die gestohlenen Tage von meinem seitherigen Leben, meinen Erfolgserlebnissen und den Momenten der Freude ausgeglichen würden. Es bleibt ein beschädigtes Leben, in welcher Form auch immer.
    Der ’Ndrangheta geht es besser als je zuvor. Von ihr, von den Mafien lebt Italien. Es ist ein schönes Land, gegründet auf krimineller und mafiöser Ökonomie. »Die Mafien einen uns«, lautet nicht umsonst der Schlachtruf der Anti-Mafia-Demonstranten, gleichzeitig auch der Titel der im März 2011 gestarteten Kampagne der Vereinigung
daSud
.
    Mit dieser Kampagne wollen wir an die letzten 150 Jahre der Geschichte Italiens in kritischer Weise erinnern und darüber nachdenken, warum sich die Macht der Mafia in all den Jahren seit der Einheit 1870 im Süden nicht verringert, sondern konsolidiert hat, und wie sie sich zusätzlich im Norden und in der Welt festsetzen und vervielfältigen konnte. Ist ein Land zivilisiert, in dem Mütter von ihren Ehemännern »aus verletzter Ehre« in Säure aufgelöst werden? Ist der Norden zivilisiert, der diesem Verbrechen gegenüber

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