Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Gigino, und ein weiteres seiner Ehefrau, Giustina Panico, überschreiben. Auch in Rimini möchte Vallefuoco Gebäude hochziehen. Er plant ein Spitzengeschäft. Er spricht von Investitionen in Höhe von vier Millionen Euro, von Baugenehmigungen. Der Gefolgsmann fragt: »Musst du das getarnt machen, weil sie dich sonst in den Knast schmeißen, die Arschlöcher?« Vallefuoco antwortet: »Nein, aber weißt du, mit wem ich gerade arbeite? Ich mach da eine Sache mit den Casalesis.«
Aus einem anschließend abgehörten Gespräch gingen beunruhigende Szenarien ordinärer Gewalt hervor. Vallefuoco erzählte Lucia Esposito, die mit ihm im Auto saß, von einem Verhör nach Mafia-Art. »Hör zu, wir haben nichts gegen dich, aber komm nicht mehr nach Novellara, um hier rumzuprotzen. Warum? Wenn ich dich noch mal in Novellara sehe, knall ich dich ab wie einen räudigen Hund.« Dabei ging es um Fragen der Ehre und der Territorien, die mit der Demütigung des Opfers enden, wie Gennaro D’Amore seinem Schwiegersohn »Franco« erzählte. Als man dem Opfer ein bisschen gedroht habe, sei der Mann gleich im Kreis herumgesprungen und in Tränen ausgebrochen. Nicht zufrieden mit dem Resultat, insistiert Gennaro gegenüber dem Unglücklichen. »Weißt du, in Novellara gibt es einen Typen, Franco, der dir im Zweifelsfall den Kopf abschneidet.« Und Vallefuoco setzt die Erzählung fort: »Gigino positionierte sich in der Nähe der Tür und beobachtete alles. Als der Glatzkopf rauskam, hat Gigino ihn gepackt und ihm die Pistole in den Mund geschoben. Gennaro kam dazu und hat ihn verprügelt.«
Das System Vallefuoco schließt Selbständige und Mafiosi mit ein. Die einen zum Vorteil der anderen. Zusammen agieren sie in der legalen Wirtschaft, im hellen Tageslicht, und stellen als wirtschaftliche, kreditwürdige Einheiten ihre Dienstleistungen und Handelsgüter her. Francesco Vallefuoco investierte nicht nur in die
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des Anwalts Livio Bacciocchi. Zwei Anti-Mafia-Staatsanwaltschaften beschäftigen sich mit ihm wegen Geldwäsche und illegaler Absprachen mit der ’Ndrangheta. Den Ermittlern zufolge führte er auch zahlreiche Tochterfirmen der ISES, einer Agentur zur Rückgewinnung von Krediten, die als Kanäle für Geldwäsche und Zinswucher benutzt wurden.
Die ISES an sich wird von Gennaro D’Amore, der größte Anteil der Gesellschafteranteile von Giustina Panicò verwaltet. Beide zählten während der Operation »Staffa« zu den Beschuldigten. Giustina Panico ist die Ehefrau von Francesco Vallefuoco, D’Amore wiederum ist der Schwager des Bosses, der mit der Schwester von Giustina verheiratet ist. Die ISES ist also eine Familienfirma. Autorisiert vom Polizeipräsidenten als »Agentur für verschiedene Zwecke gemäß Nr. 13 B/09 vom 19. Februar 2009«. So hat es der Vallefuoco-Clan – wie die Untersuchungsakten belegen – verstanden, Kredite zurückzuholen, und das, ohne Verdacht zu erregen, jedenfalls in der Emilia.
Wie aus den abgehörten Gesprächen des Bosses hervorgeht, bestand ein eindeutiger Geschäftszweck: »Es ist offenkundig, dass die Aktivitäten so strukturiert wurden, um Betrügereien zu organisieren, auch mit falschen Rechnungen, um Geld zu waschen, das von den anderen im Mittelmeerraum beheimateten Mafien stammte, die im Norden arbeiten, und um Kredite mit gewaltsamen Mitteln wieder einzutreiben.« Die Aktivitäten hatten also eine legale Fassade, und die von ihr verpflichteten Fachleute, die den Ermittlern zufolge von Vallefuoco benutzt worden waren, um Kreditwucher zu betreiben, profitierten davon. War erst einmal der einzutreibende Kredit erworben, »so wurden die Konditionen neu ausgehandelt, mit einer festen Zahl: Zwanzig Prozent Zinsen pro Monat«.
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und ISES Italia haben harmonisch zusammengearbeitet und erzeugten einen beeindruckenden Strom von Finanzoperationen, der nur noch schwer aufzudröseln war. Die Clans im Süden und im Norden Italiens trugen dazu mit ihren Profiten nach Kräften bei. Das Geld landete an zwei Stellen: in der Emilia-Romagna und in San Marino.
Die Provinz Modena war von den Verhaftungen im Zuge der Operation »Staffa« nicht betroffen. Aber in den Akten liest man von einigen Betrügereien, die sich rings um Modena abgespielt haben. Francesco Vallefuoco erzählte selbst davon und lobte dabei seine eigenen Fähigkeiten, in Schwierigkeiten befindliche Firmen aufzukaufen. »Vallefuoco nutzte seine Beziehungen zu anderen Unternehmern, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
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