Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
die in Neapel die Regierung herausfordern, oder etwa nicht? Stell dir vor, wenn sie vier Carabinieri Angst einjagen … Na eben, ihr seid dabei, einen Mechanismus aufzusetzen, der nicht funktionieren wird. Das ist Politik. Macht doch den Scheiß, den ihr machen wollt. Wollt ihr euch gegenseitig auf den Sack gehen? Macht, was ihr wollt, aber haltet Livio Bacciocchi aus der Sache raus.«
Hinter Bacciocchi standen – neben Vallefuoco – noch andere Personen von der Führungsebene der Camorra Neapels. Zum Beispiel Raffaele Stolder. Ein Boss, der geschäftliche Aktivitäten auf vielen Feldern verfolgt. Seine Tochter wurde auf der Liste der PdL zur Gemeinderätin des Stadtviertels San Lorenzo Vicaria gewählt. In einem abgehörten Gespräch, das in den Akten der Operation »Staffa« enthalten war, spricht Stolder mit seiner Frau über die Möglichkeit, den Kontakt zu einem Politiker über den Ehemann seiner Tochter herzustellen, gegen den in derselben Untersuchung ermittelt worden war. Er unterstreicht dabei, dass »jetzt eine Zeit ist, in der man mit allen Parteien sprechen muss«.
Die Tochter von Stolder wird während der Untersuchung nicht angeklagt und wiederholt vor der Presse, dass sie Anweisungen des Vaters keineswegs Folge geleistet hat und dass sie nicht »Lady Camorra« ist, wie die Zeitungen behaupteten. Dennoch dreht der Clan ihres Vaters ziemlich große Räder. Der Anti-Mafia-Behörde von Neapel zufolge hat die Gruppe
Vallefuoco
über die Finanzgesellschaften San Marinos und Umgebung fünf Millionen Euro des Stolder-Clans, von Casalesi-Clans und einigen Vertretern der Mafia aus Palermo reinvestiert.
Romagna und San Marino sind die Territorien, die sich der Vallefuoco-Clan mit dem Casalesi-Clan teilt. Aber das reicht »Franco« nicht. Er möchte expandieren, die eigenen Geschäfte ausweiten. Den Boss interessieren Modena und Reggio Emilia. Zu diesem Zweck, gesteht er Lucia Esposito, die ihm sehr nahesteht, hat er die Absicht, verschiedene Girokonten in Kreditinstituten im Raum Modena und Reggio Emilia zu eröffnen. Vallefuoco spricht in diesem Zusammenhang von einer Gesellschaft, der
Elleesse
, mit unbekanntem Sitz, und von einigen Ordnern und Bilanzen, die er nach Modena bringen wolle.
Aber die Bezüge auf Modena enden hier noch nicht. Derselben Lucia vertraut er an, dass »sie« ihm vertrauen und ihm freie Hand gegeben hätten, die 130.000 Euro bei dem Bankdirektor per Kredit abzusichern. Um welchen Bankdirektor es sich handelt, wurde nicht übermittelt. Ein bei der Durchsuchung von Vallefuocos Auto gefundenes Dokument könnte einiges erklären. Es ist ein handschriftlicher Zettel, der aus dem Jahr 2009 stammt. Auf ihm steht zu lesen: »Gesellschaft
Opere Edil Pls
, Liste der wichtigsten Kunden (fertig), unterstützende Banken RE, sie arbeiten dran.« An den Zettel geheftet war die Visitenkarte eines bekannten Kreditinstituts mit Sitz in Castelfranco Emilia. Kontakte, die Vallefuoco vertiefen wollte.
Um das zu machen, entschließt er sich, eine Wohnung in Castelfranco anzumieten und einen weiteren Ableger der Finanzgesellschaft zur Einholung von Krediten zu gründen. Dependancen existieren bereits in San Marino, Rimini und Brusciano di Napoli. »Franco« Vallefuoco bewegt sich wie ein Geschäftsmann. Einem Freund sagt er, dass er montags und dienstags in Castelfranco sein wird, den Mittwoch in Rimini und den Donnerstag in San Marino verbringen wird. Freitags muss er dann nach Palermo, wo es ein inoffizielles Büro der Gesellschaft gibt, wie die Ermittler herausfanden. Das Wochenende plante er in Neapel zu verbringen. »Franco«, der Geschäftsmann, der das Land der Länge und der Breite nach bereist, erzählt auch, dass er ein Café-Restaurant besitzt, für das er 400.000 Euro bezahlt hat und das sich in San Marino befindet. Und zwar gleich bei der Bäckerei seiner Geschwister. Francesco Vallefuoco zählt einem Gefolgsmann stolz seine Geschäfte auf, seinen Besitz, seine künftigen Pläne, und führt alle anderen Sachen auf, in die er investiert hat: eine Firma, mit der er einen Sanitärgroßhandel aufziehen will, zwei Baufirmen, über die er Grundstücke kauft, Gebäude errichtet und verkauft.
»Franco« spricht viel, und die Ermittler hören zu, machen sich Notizen. Sie hören, wie er eines Morgens sagt, dass er einige E-Mails an Immobilienhändler verschickt habe, um zwölf Reihenhäuser zu verkaufen, jedes zu 180 Quadratmeter Wohnfläche. Zwei wolle er für sich behalten, eines seinem Bruder,
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