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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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eine Erklärung, die mit diesen Ansichten im wesentlichen übereinstimmte. Er stand noch immer bei dem offenen Fenster und starrte hinaus auf den Rasen und den Kristallfluß, in dem das Boot und der Alligator eingebettet lagen, und steckte den Lauf seines Gewehres durch das zerbrochene Fensterglas. Sein dünner Bart verlieh ihm ein erschöpftes Aussehen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund sprach er zu mir wie zu einem alten Freund.
    »Verdammt noch mal«, sagte er voller Abscheu. »Sehen Sie sich die Viren an, mit ihren kristallinen Strukturen, die weder leben noch leblos sind, und ihre Immunität gegenüber der Zeit.« Er wischte mit der Hand über das Fensterbrett und ergriff einen Haufen gläserner Körner, die er wie Murmeln auf den Boden poltern ließ. »Bald werden Sie und ich genauso aussehen, und der ganzen übrigen Welt wird es ebenso gehen. Weder lebendig noch tot!«
    Er hob das Gewehr, seine dunklen Augen suchten aufmerksam den Wald ab. »Wir müssen weiter«, verkündete er und lehnte sich gegen das Fenster. »Wann haben Sie Captain Shelley zum letztenmal gesehen?«
    »Den Polizeicaptain?« Ich richtete mich auf. Einige Fensterscheiben waren zerbrochen und über den ganzen Teppich verstreut, der dadurch ein phantastisches Aussehen erhalten hatte. »Gleich nachdem wir hinausliefen, um den Hubschrauber zu suchen. Warum, haben Sie Angst vor ihm?« fragte ich. Er schüttelte den Kopf.
    »Er ist ein gefährlicher Mann«, erwiderte er. »Und gerissen wie ein Fuchs.«
    Wir bahnten uns einen Weg die kristallene Treppe hinunter. Alles im Haus war mit dem gleichen Eistuch bedeckt und schimmerte in den schönsten Farben. Während wir uns unter den Bäumen hindurch auf den Fluß zu entfernten, rief mein Gefährte: »Wir schaffen es nicht, die Zeit läuft uns davon!«
    Die ganze Zeit blickte er sich suchend nach dem Polizeioffizier um. Welcher von beiden den anderen suchte, konnte ich nicht ergründen, und auch nicht den Grund für ihren Haß. Ich hatte mich bei ihm vorgestellt, aber er ignorierte diese indirekte Aufforderung. Ich nehme an, daß er sich zu mir hingezogen gefühlt, eine innere Gemeinsamkeit gespürt hatte, als wir auf dem Schiff zusammensaßen, und daß er ein Mann war, der einem entweder seine ganze Sympathie oder aber erbitterte Feindschaft entgegenbrachte. Er erzählte mir nichts über sich selbst. Das Gewehr unter dem Arm haltend, bewegte er sich geschmeidig den Fluß entlang. Ich humpelte hinter ihm her. Ab und zu kamen wir an einem mit Juwelen bedeckten Motorboot vorüber, das in die dicke Kristallkruste eingebettet war, oder ein versteinerter Alligator richtete sich plötzlich vor uns auf und starrte uns ausdruckslos an.
    Auf allem lag das phantastische Licht, das alles verwandelte. Der Wald war ein endloses Labyrinth von Glashöhlen, abgeschlossen von der übrigen Welt und erhellt vom Licht unirdischer Lampen.
    »Können wir nicht zurück nach Maynard?« rief ich ihm nach. Meine Stimme klang hohl. »Wir gehen ja immer tiefer in den Wald hinein.«
    »Die Stadt ist eingeschlossen, mein Lieber. Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde Sie schon zurückbringen.« Mit einem Satz sprang er über einen Riß an der verfestigten Oberfläche des Flusses. Unter der Kristallschicht hatte ein dünner Wasserstrom eine Rinne gegraben.
    Mehrere Stunden lang folgte ich diesem seltsamen Mann im weißen Anzug und mit dem leeren, abwesenden Blick durch den Wald; manchmal liefen wir im Kreis, als wollte er sich ein Bild von der juwelengeschmückten, dämmerigen Welt machen. Als ich mich auf einen der kristallenen Stämme niederließ, um mich auszuruhen und die Kristalle, die sich an meinen Sohlen bildeten, abzustreifen, wartete er geduldig auf mich und blickte mich aus seinen leeren Augen an, als überlegte er, ob er mich nicht einfach im Wald zurücklassen sollte.
    Endlich erreichten wir den Rand einer kleinen Lichtung, die an drei Seiten von den ausgezackten Ufern des Flusses begrenzt war. Ein Sommerhaus mit hohen Giebeln ragte zwischen dem kristallisierten Blätterdach hindurch in den Himmel. Von der Spitze aus führte ein dünnes Gewebe, wie durchsichtige Haarsträhnen, zu den Bäumen, so daß der Garten und das Haus wie unter einem Spinnennetz begraben lagen. Die Fenstersimse und die Veranda waren mit kunstvollen Ornamenten aus Kristallen bedeckt.
    Mein Gefährte winkte mir stehenzubleiben, näherte sich dem Garten, das Gewehr schußbereit vor sich herhaltend. Er sprang von Baum zu Baum, hielt inne, um nach

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