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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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darüber, warum er so darauf bedacht war, den Wald zu räumen. Um mich ein wenig auszuruhen, blieb ich eine Weile neben dem Polizeiwagen stehen. Der Wald hatte sich merklich verändert, so als hätte sich vom Himmel eine Staubdecke gesenkt. Die Glasschichten, die die Bäume und Pflanzen bedeckten, waren undurchsichtiger geworden, der Kristallboden unter den Füßen war jetzt grau, die spitzen Nadeln sahen wie Basalt aus. Das vielfarbige Licht war verschwunden, ein schwaches bernsteinfarbenes Glühen zog über den Rasen.
    Gleichzeitig war es auch kühler geworden. Ich verließ den Wagen und ging die Straße entlang – Paul Mathieu und ein Soldat verschwanden gerate, die Hände schützend vor das Gesicht haltend, hinter einer Kurve –, aber dann schlug mir die eisige Luft entgegen, wie eine unsichtbare Eiswand. Ich klappte den Kragen meines Tropenanzugs hoch, zog mich wieder zu dem Wagen zurück und überlegte, ob ich hineinklettern sollte. Die Kälte wurde immer beißender, die Luft an meinem Gesicht fühlte sich an wie verdunstendes Aceton, und meine Hände fühlten sich steif und starr an. Von irgendwoher hörte ich den Ruf des Polizeicaptains, und dann sah ich jemand zwischen den eisgrauen Bäumen hindurchlaufen.
    Auf der rechten Seite der Straße deckte jetzt die Dunkelheit den Wald völlig ein, verhüllte die Konturen der Bäume und erstreckte sich dann mit einem plötzlichen Ruck auch über die Straße. Meine Augen schmerzten, und ich wischte die kleinen Eiskristalle weg, die sich an den Lidern festgesetzt hatten. Überall bildete sich Rauhreif, der den Vorgang der Kristallisation noch beschleunigte. Die scharfen Spitzen auf der Straße waren jetzt schon über einen halben Meter hoch, wie der Rücken eines gigantischen Stachelschweines sah sie aus; die Gitter zwischen den Baumstämmen wurden immer dicker, so daß die Stämme nur noch wie dünne Fäden in ihnen wirkten. Die Blätter bildeten ein ununterbrochenes Mosaik, die Kristallelemente verdickten sich und gingen ineinander über. Zum erstenmal kam mir die Möglichkeit in den Sinn, daß sich der gesamte Wald in einen einzigen gewaltigen Eispalast umwandeln und ich darin gefangen werden könnte.
    Die Fenster des Wagens sowie die schwarze Karosserie waren jetzt mit einer dicken Eisschicht überzogen. Ich griff zur Tür, um einzusteigen und die Heizung einzuschalten, aber meine Finger zuckten bei der Berührung mit der unbeschreiblichen Kälte zurück.
    »Hallo, Sie da! Kommen Sie! Hier entlang!«
    Die Stimme hallte laut im Wald wider. Die Dunkelheit und die Kälte nahmen zu, und als ich mich umdrehte, sah ich den Captain, der mir vom Säulengang des Hauses aus zuwinkte. Der Rasen zwischen uns schien von dem Prozeß des Kristallisierens nicht so stark betroffen. Das Gras hatte seinen lebendigen feuchten Schimmer beibehalten, und die Dachrinnen des Hauses hoben sich klar gegen die sie umgebende Dunkelheit ab. Es schien, als wäre diese Stätte noch verschont geblieben.
    Ich lief den Weg zum Haus entlang und stellte erleichtert fest, daß die Luft hier um wenigstens zehn Grad wärmer war. Die Sonne fiel mit unverminderter Kraft durch die Blattüberdachung ein. Als ich die Säulenhalle erreicht hatte, blickte ich mich nach dem Captain um, aber ich hörte, wie er sich wieder zum Wald hin entfernte. Ungewiß, ob ich ihm folgen sollte oder nicht, beobachtete ich die langsam näherkriechende Wand der Dunkelheit über dem Rasen. Der Polizeiwagen war jetzt von einer dichten Schicht gefrorenen Glases überzogen, seine Windschutzscheiben schimmerten von tausend bunten Kristallen.
    Schnell lief ich um das Haus herum, die Sicherheitszone wurde immer enger, ich überquerte die Überbleibsel eines alten Gemüsegartens, in dem Pflanzen aus grünem Glas einen Meter hoch in die Luft ragten, wie feingeschnitzte Skulpturen. Ich erreichte wieder den Wald und versuchte, mich im Zentrum der noch verschont gebliebenen Zone zu halten. Ich schien eine Unterwasserhöhle betreten zu haben, in der glitzernde Felsen aufragten und kristallenes Seegras seit Urzeiten gefroren zu sein schien.
    Eine Stunde lang lief ich hilflos durch den Wald. Mehrmals überquerte ich die Straße, auf der die ausgezackten Spitzen jetzt fast bis zur Hüfte reichten, und ich war gezwungen, über sie hinwegzuklettern. Einmal, als ich mich gegen den Stamm einer kristallisierten Eiche lehnte, um mich ein wenig auszuruhen, erhob sich ein farbenprächtiger Vogel von einem Ast über meinen Kopf und flog mit einem

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