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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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die Glasscheibe, die jetzt den Eingang zum Laden bedeckte, zerbarst in einem Schauer von Kristallen. Marquand zuckte zusammen und versteckte sich hinter mir, dann zog er mich durch das Schaufenster ins Innere. Als ein Stück weiter unten in der Straße ein weiterer Schuß aufbellte, stolperten wir ins Büro, in dem die Tür zu einem Safe offenstand. Marquand stieß die geöffneten Schubladen, die völlig ausgeraubt waren, zu und begann die wenigen Edelsteine, die auf dem Boden verstreut lagen, einzusammeln.
    Er stopfte sie mir in die Taschen und zog mich dann durch ein Fenster in die Gasse hinter dem Laden und von dort in die angrenzende Straße, die durch ein Gitter, das sich von einem Haus zum anderen zog, in einen Tunnel verwandelt hatte. An der ersten Biegung hielten wir an, und er deutete zu dem glitzernden Wald, der fünfzig Meter von uns entfernt begann.
    »Laufen Sie! Irgendwo durch den Wald, machen Sie, daß Sie wegkommen. Laufen Sie immer weiter. Mehr können Sie nicht tun!«
    Er schob mich mit dem Lauf seines Gewehres in Richtung des Waldes. Auch seine Waffe war jetzt über und über mit gläsernen Kristallen bezogen. Hilflos hob ich den Arm. In dem Sonnenlicht glitzerten die Kristallspeere wie farbige Leuchtkäfer. »Mein Arm, Marquand! Es reicht schon bis zu meiner Schulter!«
    »Laufen Sie! Etwas anderes kann Ihnen nicht mehr helfen!« Sein erleuchtetes Gesicht verzog sich ärgerlich. »Und vergeuden Sie die Steine nicht. Sie reichen nicht ewig!«
    Ich zwang mich, mich vorwärts zu bewegen, und hastete auf den Wald zu, wo ich die erste der Lichthöhlen betrat. Meinen Arm schwenkte ich wie einen Propeller; ganz allmählich schienen die Kristalle sich zu verkleinern. Ich hatte Glück und erreichte bald ein Nebengewässer des Flusses.
    Wie viele Stunden oder Tage ich durch den Wald hastete, das weiß ich heute nicht mehr, ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wenn ich auch nur länger als eine Minute stehenblieb, dann krochen die Kristallgewächse meinen Nacken und meine Schultern entlang. Deshalb lief und lief ich Stunden um Stunden, hielt nur an, wenn ich mich erschöpft auf die gläsernen Ufer des Flusses fallen ließ. Dann preßte ich die Edelsteine gegen mein Gesicht, um das Eistuch zurückzudrängen. Aber ihre Kraft ließ allmählich nach, und sie wurden zu Klumpen stumpfer Kiesel. Einmal, als ich durch die Dunkelheit hastete, den Arm immerzu herumschwingend, kam ich an dem Sommerhaus vorbei, wo Captain Shelley seine sterbende Frau bewachte, und ich hörte, wie er von der Veranda aus auf mich schoß, vielleicht, weil er meine gespenstische Gestalt mit der von Charles Marquand verwechselte.
    Endlich, am Nachmittag, als sich rubinrotes Licht auf den Wald niedersenkte, betrat ich eine kleine Lichtung, von der die tiefen Töne einer Orgel erschollen. In der Mitte der Lichtung stand eine kleine Kirche, deren vergoldeter Turm in die sie umgebenden Bäume überging.
    Ich hob den kristallisierten Arm, stieß die schweren Eichentüren zurück und betrat das Kirchenschiff. Über mir, gebrochen durch die gefleckten Glasfenster, fiel gleißendes Licht hinunter auf den Altar. Ich lauschte der anschwellenden Musik und streckte den Arm zu dem goldenen Kreuz aus, das mit Rubinen und Smaragden geschmückt war. Augenblicklich schmolzen die Kristalle, und mit der Schmelze rann das Licht von meinem Arm hinunter wie Wasser über die Stufen eines Kaskadenbrunnens.
    An der Orgel saß ein Priester und wandte mir den Kopf zu, seine Hände glitten über die Tasten und entlockten den Pfeifen wunderbare Musik, die aufschwoll und abklang. Sie schwebte durch die Fenster hinaus, der entfernten Sonne entgegen.
    Eine Woche lang blieb ich bei ihm, die Kristallsplitter lösten sich nach und nach von dem Gewebe meines Armes und schmolzen. Den ganzen Tag über kniete ich neben ihm und bediente den Blasebalg der Orgel mit den Armen, und um uns herum ertönten die erhabenen Kompositionen von Palestrina und Bach. In der Dämmerung, wenn die Sonne am westlichen Himmel niederging, stand der Priester im Portal und blickte hinaus über die Kristallbäume.
    Ich erinnerte mich an ihn, es war Dr. Thomas, der Priester, den Captain Shelley zum Hafen gefahren hatte. Er blickte mich an, wenn wir unser spärliches Mahl auf einem Gebetstuhl nahe dem Altar verzehrten, geschützt vor dem kalten, alles durchdringenden Wind durch die Edelsteine am Kreuz. Zuerst glaubte ich, er betrachtete mein Überleben als ein Zeugnis für das Einmischen des

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