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Magermilch

Magermilch

Titel: Magermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Vereinsmeierei frönen, und wenn er nach Hause kam, wartete das Mittagessen auf ihn, die gebügelten Hemden, die geputzte Wohnung …
    Fanni riss die Wagentür auf, als sie Sprudels blauen Peugeot in die Schotterstraße einbiegen sah. Eine Sekunde später fühlte sie sich von seinen Armen umschlossen.
    Sie lehnte sich an ihn, atmete tief durch.
    »Ich habe Marco angerufen«, sagte Sprudel. »Der Absturz muss kriminaltechnisch untersucht werden, um Fremdverschulden ausschließen zu können.«
    Fanni nickte.
    Und wenn sich nichts ausschließen lässt? Wenn sich herausstellt, dass irgendein Schurke die Finger am Gurt des Verunglückten gehabt hat?
    Dann hat Marco einen neuen Fall zu lösen. Einen komplizierten Fall, dachte Fanni. Schwer vorstellbar, wie jemand mitten im Quergang einem anderen das Klettersteigset gewaltsam aus dem Gurt zerren soll.
    Ihre Aufmerksamkeit kehrte zu Sprudel zurück, der indessen weitergesprochen hatte. »… dass Marco an einem Seminar teilnimmt. Der Beamte, der ihn vertritt, heißt Frankl. Er wird gleich hier sein.« Sprudel sah Fanni bedauernd an.
    Verflixt! Wenn Marco nicht selbst kommt, wird sich kaum verheimlichen lassen, wer den Toten gefunden hat!
    Marco Liebig war Kriminalkommissar bei der Polizeidirektion Straubing. Er hatte mit Hilfe von Fanni und Sprudel das Verbrechen aufgeklärt, dem vergangenes Jahr Pfarrer Winzig aus Birkdorf zum Opfer gefallen war, und er hatte sich in Fannis Tochter Leni verliebt – und sie sich in ihn.
    Sprudel strich sanft über Fannis Nacken.
    »Der Tote hängt da oben«, sagte sie und deutete mit dem Kopf in Richtung des Zustiegs.
    Sprudel zögerte.
    »Du musst nachsehen«, verlangte Fanni. »Vielleicht ist er ja gar nicht tot, sondern nur bewusstlos. Vielleicht versucht er ja gerade, sich aus dem Drahtseil zu befreien. Vielleicht …« Sie sprach nicht aus, dass sie entgegen jeder Vernunft sogar in Betracht zog, alles nur geträumt zu haben. »Ich warte hier.« Widerstrebend löste sie sich aus seinen Armen.
    Sprudel hielt ihre Hände noch einen Augenblick lang in seinen, dann eilte er auf dem Pfad davon, der sich zwischen den Büschen verlor. Fanni folgte ihm langsam, unschlüssig. Vor dem Felswändchen blieb sie stehen, sah zu, wie er recht behände hinaufkletterte.
    Sobald Sprudel außer Sicht war, projizierte sich auf dem nackten Felsen vor Fanni das Bild, das er in wenigen Sekunden vor Augen haben würde.
    Er blieb nicht lange fort.
    Noch während Fanni einen weiteren Versuch machte (wohl der hundertste seit ihrem ersten Blick auf den Verunglückten), endlich zu akzeptieren, was ihr das Gesicht des Toten verraten hatte, kehrte Sprudel zurück und schloss sie wieder in die Arme. Im gleichen Augenblick knirschte der Schotter in der Zufahrt unter Autorädern. Hand in Hand gingen sie zum Parkplatz.
    Kommissar Frankl war bereits aus seinem Wagen gestiegen. Schweigend hörte er sich Fannis knappen Bericht an, dann trat er ein paar Schritte zur Seite und sprach in sein Handy.
    »Der Tote hängt noch nicht lang da«, sagte Sprudel, als Frankl zurückkam. »Die Kleidung ist trocken, obwohl es am Vormittag geregnet hat.«
    »Sie waren an der Absturzstelle?«, fragte Frankl scharf.
    Sprudel nickte.
    »Kruzitürken!«, schrie Frankl. »Haben Sie noch nie was von Spurensicherung gehört?«
    Sprudel war bei Frankls Wutausbruch zusammengezuckt und stand jetzt mit hängenden Schultern da.
    »Ich …«, stammelte Fanni, »… ich habe Herrn Sprudel gebeten, hinzugehen. Hätte ja sein können, dass Willi noch zu helfen gewesen wäre.«
    »Der Herr Sprudel ist wohl ein Dokt…«, begann Frankl, stutzte und fragte: »Willi?«
    Es war also heraus. Was Fanni nicht hatte wahrhaben wollen, seit die hageren Gesichtszüge des Verunglückten preisgegeben hatten, wer hier den Tod fand, war nun gesagt.
    Zwei Polizeifahrzeuge bogen auf den Parkplatz und hielten neben Frankls Wagen.
    »Sie warten hier«, befahl der Kommissar, dann wandte er sich einem der Männer zu, die aus den Fahrzeugen gestiegen waren. Kurz darauf begab sich die Gruppe zum Zustieg.
    Fanni hätte Sprudel gern gesagt, wie leid es ihr tat, dass sie ihn so in die Bredouille gebracht hatte. Sie konnte sich denken, wie er sich schämte, so wenig kriminalistischen Weitblick bewiesen zu haben.
    Er muss sich vorkommen wie ein Depp – senil, verkalkt, täppisch!
    Bevor Fanni den Mund aufmachen konnte, hörte sie Frankl in ihrem Rücken sagen: »Sie kennen also den Toten.«
    Fanni drehte sich um und nickte. »Er

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