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Magermilch

Magermilch

Titel: Magermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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anschaulich erklärt.«
    »Du flunkerst«, sagte Fanni. »Ich hab dich beobachtet, vorhin im Zustieg. Das sah geradezu professionell aus.«
    »Ertappt«, lächelte Sprudel. »Als Junge bin ich viel geklettert – in den Felsen rings um unser Dorf. Aber Gurt und Seil habe ich dabei nie benutzt.«
    Fanni nickte zufriedengestellt.
    Es wurde für eine Weile still.
    Dann hielt Fanni Sprudel den Taschentuchring vor die Nase und sagte: »Er konnte nicht einfach reißen.«
    Sprudel sah sie erstaunt an. »Aber wieso denn nicht?«
    »Meine Güte, Sprudel«, rief Fanni, »du kannst dir doch denken, dass ein Material, aus dem Klettergurte gefertigt werden, strengste Sicherheitstests bestehen muss. Es ist vermutlich TÜV-geprüft wie Autobremsen und Flugzeugpropeller.«
    Sie bemerkte, wie Sprudel ein Schmunzeln verbarg.
    »Willis Gurt könnte uralt gewesen sein, abgenutzt und zerschlissen«, wandte er nach kurzem Zögern ein.
    Fanni schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, es würde Jahrzehnte dauern, die Anseilschlaufe am Gurt bei normalem Gebrauch derart abzunutzen, dass sie reißt. Falls sie sich überhaupt so weit abnutzt. Doch selbst wenn, wäre Willi der Letzte gewesen, der es dazu hätte kommen lassen.«
    Wieder war es still, bis Sprudel sagte: »Aber wie sonst ist der Absturz zu erklären?«
    »Gar nicht«, antwortete Fanni, »die Anseilschlaufe muss abgerissen sein.«
    Sprudel schnappte nach Luft. »Hast du mir nicht gerade auseinandergesetzt …?«
    Fanni sah ihn erwartungsvoll an.
    »Nein, Fanni, nein.«

2

    »Lass uns zurückgehen«, sagte Sprudel, »wir sollten Herrn Frankl nicht warten lassen.«
    Wenn ihr keine auf euch gemünzten Flüche riskieren wollt, besser nicht!
    Fanni erhob sich.
    Sie liefen die Stiege hinunter, eilten zwischen den Gräbern hinter Mariä Himmelfahrt hindurch. Als sie an der Friedenseiche ankamen, wo sich die Hengersbergerstraße mit der B 11 kreuzte, schaltete die Fußgängerampel gerade auf Grün.
    Fanni und Sprudel hasteten zur Polizeiinspektion hinüber. Wenig später saßen sie in einem kahlen Raum vor einem Schreibtisch mit Resopalplatte. Fanni registrierte, dass weder Topfpflanzen noch bunte Ordnerrücken den abweisend grauen Wänden dieses Zimmers die Trostlosigkeit nahmen. Sie richtete den Blick soeben aus dem einzigen Fenster, das auf einen Hinterhof hinausging, als Kommissar Frankl eintrat.
    Nachdem er ihre Personalien aufgenommen hatte, fragte er nach Fannis Verhältnis zu Willi Stolzer.
    Verhältnis!
    »Ich habe Willi schon etliche Jahre nicht mehr gesehen«, antwortete Fanni.
    »Aber früher kannten Sie ihn gut. Wie gut?«, hakte Frankl nach.
    »Wir waren Freunde, mehr nicht«, erwiderte Fanni kurz angebunden. Sie hatte entschieden, sich vor diesem Kommissar zurückzuhalten. Einerseits weil sie gemeinsam mit Sprudel so wenig wie möglich in Erscheinung treten wollte, andererseits weil sie diesem Sakra nicht nachsehen konnte, dass er Sprudel im Klettergarten dermaßen angefahren hatte.
    Ich werde mit Marco reden, dachte Fanni. Marco wird … Sie horchte auf, weil Frankl sagte: »Und wie endete diese – ähem – Freundschaft? Mit Zank und Streit? Mit einer Schlammschlacht?«
    Fanni presste die Lippen aufeinander.
    Du musst antworten! Musst das richtigstellen!
    Man konnte den Ärger in ihrer Stimme deutlich hören, als sie endlich erwiderte: »Es gab keinen Grund für einen Streit. Die Freundschaft verlief im Sande, weil sie ihre Basis verlor.«
    Frankl grinste anzüglich. »Sakradie! Ihre Basis verlor! Nennt man das so, wenn einer den andern sitzen lässt?«
    Erklär es ihm! Das hat doch keinen Sinn, hier die Verstockte zu spielen!
    Fanni wollte gerade dazu ansetzen, da merkte sie, dass Frankls infame Anspielungen Sprudel nicht unberührt gelassen hatten. Das brachte sie in Rage.
    »Was schustern Sie sich denn da für eine verrückte Theorie zusammen?«, blaffte sie den Kommissar an. »Habe ich Ihrer Meinung nach etwa jahrelang im Deggenauer Klettergarten auf der Lauer gelegen, um mich an Willi für was auch immer zu rächen? Bin ich, als er nach fünf oder sechs Jahren endlich kam, ungesichert und in Straßenkleidung die Felsen hinaufgeklettert und habe ihn – weiß der Teufel, wie – aus dem Quergang gehebelt?«
    »Das mussten Sie gar nicht«, entgegnete Frankl mokant.
    Fanni starrte ihn an, sah den Triumph in seinen Augen, und langsam dämmerte ihr, worauf er hinauswollte.
    »Sie mussten«, sagte Frankl, »nur unten warten, bis sich Stolzer mitten im Quergang befand. Als es

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