Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
diesen Raum und das Bad beschränkt zu sein“, sagte der Gerichtsmediziner. Maggie bemerkte, dass er als Einziger Latexhandschuhe trug.
„Wenn jemand verletzt hinausgelaufen wäre, hätten wir Tropfen und Spritzer finden müssen. Aber das Haus ist so picobello sauber, dass man vom Boden essen könnte.“ Manx wischte sich wieder über das Stoppelhaar.
„Die Küche ist nicht so sauber“, widersprach Maggie.
Er runzelte die Stirn. „Wie lange schleichen Sie schon hier rum, verdammt?“
Sie überhörte das, kniete nieder und besah sich das Blut am Boden genauer. Das meiste war geronnen, einiges trocken. Vermutlich war es seit dem Morgen hier.
„Vielleicht hatte sie keine Zeit, nach dem Lunch sauber zu machen“, fuhr Manx fort, ohne auf ihre Antwort zu warten.
„Woher wollen Sie wissen, dass das Opfer eine Frau ist?“
„Eine Nachbarin rief uns an, da die Dame des Hauses nicht ans Telefon ging. Die beiden Frauen wollten zusammen einkaufen fahren. Sie sah den Wagen in der Garage, aber niemand öffnete die Tür. Ich denke, der Typ, wer immer er war, hat sie beim Lunch gestört.“
„Wieso glauben Sie, sie habe das Sandwich gemacht?“
Alle drei stutzten, tauschten Blicke und sahen sich an wie Diplomaten, die voneinander Informationen erwarten.
„Was, zum Henker, erzählen Sie da, O’Donnell?“
„Mein Name ist O’Dell, Detective Manx.“ Diesmal ließ sie sich ihre Gereiztheit anmerken. Seine offenkundige Missachtung ihres Namens war eine kleine, aber vertraute und ärgerliche Stichelei, um sie zu diskreditieren. „Das Haus des Opfers ist tadellos in Schuss. Sie hätte nicht eine solche Unordnung hinterlassen oder sich zum Essen hingesetzt, ohne vorher aufzuräumen.“
„Vielleicht wurde sie gestört.“
„Vielleicht. Aber es gibt keine Anzeichen eines Kampfes in der Küche. Und die Alarmanlage war ausgeschaltet, richtig?“
Manx wirkte verärgert, dass sie korrekt geraten hatte. „Ja, sie war ausgeschaltet. Demnach handelt es sich vielleicht um jemand, den sie kannte.“
„Das ist möglich.“ Maggie stand auf und sah sich im Raum um. „Falls er sie gestört oder überrascht hat, dann erst hier oben. Vielleicht hat sie ihn erwartet oder eingeladen, mit hinaufzukommen. Wahrscheinlich gibt es deshalb keine Kampfspuren bis zum Schlafzimmer. Vielleicht hatte sie es sich anders überlegt und wollte ihr Vorhaben nicht mehr ausführen. Dieses Spritzmuster hier an der Tür ist eigenartig.“ Sie deutete darauf, ohne es zu berühren. „Es ist so weit unten, dass einer von beiden auf dem Boden gewesen sein muss, als die Wunde zugefügt wurde.“
Sie ging zum Fenster und spürte, dass die Blicke der Männer ihr folgten. Durch Spitzengardinen sah sie einen Garten, der ihrem glich, groß, abgeschieden, mit blühendem Hartriegel und hohen Pinien. Keines der Nachbarhäuser war sichtbar. Alle verbargen sich hinter Blättern und Bäumen. Niemand konnte einen Eindringling sehen, der kam und ging. Aber wie schaffte er es über Fluss und Steilufer hier herauf? Hatte sie die Wirksamkeit dieser natürlichen Barriere überschätzt?
„Da ist nicht allzu viel Blut“, fuhr sie fort, „es sei denn, im Bad ist noch mehr. Vielleicht gibt es keine Leiche, weil das Opfer noch selbst fortgehen konnte.“
Sie hörte Manx schnauben. „Sie glauben, die hatten einen netten kleinen Lunch, dann vermöbelt er sie nach allen Regeln der Kunst, weil sie nicht mehr mit ihm vögeln will, und dann geht sie freiwillig mit dem Kerl weg? Und die ganze gottverdammte Nachbarschaft hat zwischenzeitlich nichts gemerkt?“ Manx lachte.
Maggie ignorierte seinen Sarkasmus. „Ich habe nicht gesagt, dass sie freiwillig mitgegangen ist. Außerdem ist dieses Blut viel zu geronnen und trocken, als dass die Sache erst gegen Mittag passiert sein könnte. Ich vermute, es passierte am frühen Morgen.“ Sie sah Bestätigung suchend zum Gerichtsmediziner.
„Damit hat sie Recht.“ Er nickte.
„Ich glaube nicht, dass sie zusammen Lunch hatten. Er hat sich das Sandwich wahrscheinlich für sich selbst gemacht. Sie sollten es als Beweismittel eintüten. Falls Sie keinen Zahnabdruck bekommen, dann vielleicht Speichelreste für eine DNS-Analyse.“
Als sie sich wieder umdrehte, sah Manx sie an. Seine Frustration hatte sich in Verwunderung verwandelt, und die Falten um seine Augen traten deutlicher hervor. Offenbar war er älter als anfänglich geschätzt. Kleidung und Haarschnitt waren demnach eher Ausdruck einer Midlife-Crisis als
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