Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
und dann erst in den Zoo, um die Tiere
zu füttern, denn das wäre natürlich auch möglich gewesen, dass man erst einmal
Rüdigers verkalkte Röchelmaschine auf ihren langen Marsch schickte, bevor man
sich in der Küche vom Zoo wie immer einen Nescafé mit demselben heißen Wasser
machte, mit dem man auch den Babybrei für die Affen anrührte. Aber das hatte
mir immer widerstrebt. Eine Kaffeemaschine in Gang zu setzen, um sich gleich
darauf am anderen Ende des Kellers einen Nescafé zu machen, das hatte
irgendwie was Gieriges,
Kaffeejunkiemäßiges, das hatte einen Hauch von Klaus-Dieter in seinen manischen
Momenten, das roch nach Abhängigkeit und auch nach Doofheit, weil man all diese
Verrenkungen ja nur machte, um nicht die Kaffeemaschine entkalken zu müssen,
und wieso tat man das eigentlich nicht? Am Ende, wenn man mal ganz ehrlich zu
sich selber war, was auch ohne Dr. Selges Seelenschredderei gehen musste, war
es eine Frage der inneren Sicherheit: Rüdigers Kaffeemaschine entkalkt zu
haben, das hätte dem Leben eine neue Qualität gegeben, jedenfalls den Anrufen
aus den Gruppen, die hätte man dann schon mit einem Kaffee in der Hand, bei völliger
Stille und in friedlicher Stimmung entgegengenommen, vielleicht untermalt von
ein bisschen Vogelgezwitscher, das im Frühling durch die gekippten
Kellerfenster eingedrungen wäre, und das wäre natürlich toll gewesen, aber die
Nachteile lagen auf der Hand, denn wenn man mit dieser Art von Reform erst
einmal anfing, dann war Polen offen, wie Henning, der ewige Hitlerjunge, es
neulich in der Gruppe in einer Diskussion über die Gefahren von Geleebananen
formuliert hatte, was Werner natürlich überhaupt nicht lustig gefunden und Henning
auch gar nicht lustig gemeint hatte, so redete er halt, der alte
Fähnleinführer, jedenfalls: wenn man erst einmal anfing, alles, aber auch
wirklich alles im Leben einer Inspektion und Sanierung zu unterwerfen, wenn man
ernsthaft sogar schon Sachen reparierte, die eigentlich noch halbwegs
funktionierten, wenn auch röchelnd und sprotzend wie Rüdigers Kaffeemaschine,
die ja im Grunde genommen nur den Zustand seiner Blutgefäße und das Geräusch
seiner Atemwege nachbildete, dann standen auch andere Dinge zur Reformdebatte,
über die man lieber nicht nachdenken wollte, auch wenn man es neuerdings
wieder konnte, weil man die Pillen abgesetzt hatte, was sich allmählich
bemerkbar machte.
Also
waren die Anrufe
aus den Gruppen auch an diesem Morgen schwer zu verstehen, die Kaffeemaschine
gurgelte und brodelte und knackte, dass einem angst und bange werden konnte,
aber sonst war eigentlich alles ganz okay und ich kam langsam auf andere,
bessere Gedanken, die Anrufe aus den Gruppen brachten mich immer gut drauf,
verstopfte Klos, kaputte Glühbirnen, herausgerissene Waschbecken, zerstörte
Möbel, das waren gute Probleme, die man schnell und einfach lösen konnte, und
dann waren alle dankbar und freuten sich, und solange sie mich brauchten,
sagten die Erzieher, wenn sie anriefen, auch gerne alles dreimal, weil die
Kaffeemaschine eben so laut war, und die Erzieher warteten auch gerne, bis ich
endlich kam und mich kümmerte, es brachte ja nichts, wenn man sich wegen dem
ersten verstopften Klo gleich mit dem Pümpel auf den Weg machte, nur damit sich
die anderen Erzieher in der Zwischenzeit wegen neuen Glühbirnen oder sonstwas
die Finger mit der Werkstattdurchwahl wundwählten, und dann musste ich ja auch
noch warten, bis die Kaffeemaschine durch war und ich das schwarze Zeug, das
sie produzierte, getrunken hatte, das gehörte zum Ablauf, war Teil der Kette
verlässlicher Ereignisse, die meinen Tag unterteilten wie das gute alte
Bummbumm den deutschen Dance.
An den
ich schon lange
nicht mehr gedacht hatte, wie ich dachte, als ich eine Stunde später die Gruppe
vier verließ, in der linken Hand den Pümpel, schön abgespült, vom Spülwasser
sogar noch tropfnass, aber trotzdem oder vielleicht sogar gerade deswegen von
allen, die mir entgegenkamen,
misstrauisch beäugt. Schon lange nicht mehr gedacht an den deutschen Dance,
dachte ich, so hatte Ferdi ihn immer genannt, was irgendwie seltsam nach Siebzigerdisco
und James Last klang, da hatte sich Raimund öfter mal dagegen verwahrt, dass
Ferdi das, was Raimund meistens »unser Ding« oder »House« nannte, als deutschen
Dance bezeichnete, »das ist doch Ilja-Richter-Scheiße«, hatte er dann immer
gesagt, sie waren ein lustiges Paar gewesen, die beiden, jedenfalls den
deutschen Dance hatte ich
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