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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Aufmerksamkeit aufgesaugt, deshalb der Papierkorb, eine Installation
mit Pümpel konnte gar nicht groß genug sein, der Pümpel war in einer
Installation sowas wie der Wermut im Martini-Cocktail, je weniger, desto
besser, dachte ich, während ich darauf wartete, dass Dr. Selge ihren Kram mit
Frau Schmidt in halblautem Ton durchgesprochen hatte, und je länger das dauerte,
desto leiser wurde Dr. Selge, ein zischendes Tuscheln war das und sie guckten
dabei immer öfter zu mir rüber, die trauten sich was, einen Halboder Ex-Irren
oder was ich gerade für sie darstellte, so anzustarren, aber wahrscheinlich war
bei Dr. Selge das Wort »Paranoia« nicht auf meinem Anamnesebogen angekreuzt!
    »So
Karl, und Sie
könnten doch einfach mal eben mit mir in mein Büro kommen«, sagte Dr. Selge
schließlich mit einem Blick auf mich. Seit ich sie nicht mehr Tante Marianne
nannte, baute sie, wenn sie mit mir sprach, immer so komische Sätze, ich war
sicher nicht ihr Wunschpatient, sie wollte
wohl nur meiner Mutter eine beste Freundin sein, die alte Seelenklempnerseele.
Ich folgte ihr in ihr Büro und schloss die Tür hinter mir und wir waren unter uns.
    Irgendwie mochte ich an Dr. Selge, dass sie
immer einen weißen Kittel anhatte, das hatte Stil und Klasse, es schaffte
zugleich Distanz und Vertrauen, es war ein schönes Zeugnis dafür, dass sie
eben doch mehr Psychiaterin als Analytikerin war, von Heimleiterin ganz zu
schweigen, eine Couch hatte sie auch nicht in ihrem Büro, als Analytikerin war
sie nur zu Hause unterwegs, im Hauptberuf teilte sie Pillen aus und legte
Elektroden an die Schläfen, naja, Letzteres wohl nicht mehr, das war aus der
Mode, und die meiste Zeit verbrachte sie wohl sowieso damit, das Kinderkurheim
Elbauen stümperhaft zu verwalten, aber mir gefiel der Gedanke, dass sie
insgeheim eine von diesen Horrorfilmpsychiatern war, so doktormabusemäßig, wie
sie mit blutverschmiertem Kittel Schädel öffnete und darin herumfuhrwerkte und
Frau Schmidt nebenbei qualmend elektroschockte, das war zwar ziemlicher
Quatsch, aber es half einem über die Zeit hinweg, in der man in ihrem Büro
abhängen und darauf warten musste, dass sie sich endlich an ihren Schreibtisch
gesetzt hatte, einem endlich einen Stuhl angeboten hatte, endlich die nötige
Akte aufgeschlagen hatte, endlich unter Seufzen und Stöhnen ein paar Seiten
darin umgeblättert hatte, sich endlich die Brille abgenommen, die Augen
gerieben und die Brille wieder aufgesetzt hatte, sie machte es gern spannend,
denn gespannt war ich, da musste man sich nichts vormachen, dies war nicht eine
der regelmäßigen Kontrollsitzungen, in denen sie meine Entwicklung ohne die
Pillen kontrollierte, das musste nämlich »engmaschig« geschehen,
wie sie es immer nannte, »engmaschige Kontrolle des Verlaufs«, das war ihr
Ding, aber dafür war es zu früh in der Woche, so engmaschig schossen die Verlaufskontrollpreußen
dann doch nicht, »diese Substanzen bauen sich langsam ab, das dauert«, hatte
Dr. Selge beim letzten Mal gesagt und wenn ich mich richtig erinnerte, war die
nächste Verlaufskontrolle erst in zwei Tagen fällig. Es sah auch nicht so aus,
als wollte sie mir gleich den Blutdruck messen und den ganzen anderen Kram machen,
mit dem sie sonst immer die Verlaufskontrollsause eröffnete, sie hatte ja auch
viel zu viel mit Augenreiben zu tun, das war nicht ihr Tag, das konnte man
gleich sehen, nur äußerstes Pflichtgefühl hielt sie bei der Stange.
Wahrscheinlich hatte sie vom Vortag noch einen sitzen, vielleicht hatte sie
eine kleine Rotweinsitzung mit meiner Mutter unternommen, ihr Weinkeller war
legendär, jedenfalls bei mir, eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen war
eine Unterhaltung meiner Eltern über den Weinkeller von Tante Marianne, und nun
fing sie endlich an zu reden, mein Gott, inzwischen dürfte sogar Rüdigers
Kaffeemaschine, die im Keller an ihrer zweiten Runde arbeitete, in die
Zielgerade eingebogen sein.
    »Das ist
mir jetzt unangenehm, Karl, aber ich habe erst jetzt bemerkt, dass Sie noch
vier Wochen Urlaub aus dem letzten Jahr übrig haben. Sie haben ja überhaupt
keinen Urlaub genommen im letzten Jahr. Ich weiß gar nicht, wie Herr Wieczorek
das übersehen konnte.«
    Das war
gelogen, sie wusste ganz genau, wie der liebe Rüdiger das übersehen konnte, er
konnte es genauso übersehen, wie er alles andere übersehen konnte, das nicht
auf Flaschen gezogen war.
    »Das ist
nach dem BAT, nach dem Sie ja hier eingestellt sind, eigentlich schon

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