Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
spielte
Werners Helferleinstimme ab und spulte danach zurück, das andere nahm die
Anrufe auf. Man konnte beim Aufzeichnungssystem auch auf endlos stellen statt
auf dreißig Sekunden, aber davon war Werner nach einem denkwürdigen
Weihnachtsanruf von Klaus-Dieters Mutter abgekommen.
»Okay, also
hier ist Raimund, ich geb mal an Ferdi weiter, mach du das doch, wenn du …« – »Hallo, hier Ferdi, die Nummer ist 030 – xxx xx xx, das ist eine Nachricht
von Ferdi und Raimund von BummBumm Records für Karl Schmidt, Achtung, Achtung,
und er soll dringend mal anrufen, also die Nummer nochmal, 030 – xxx xx xx,
bitte dringend anrufen, Nachricht für Karl Schmidt, over und out, Ende, alles
Roger.« Ein kleines, silberhelles Ferdilachen am Ende rundete das Meisterwerk
ab. Im Raum war es still. Ich sagte schon deshalb nichts, weil ich dringend
versuchen musste, die Telefonnummer im Kopf zu be halten. Alle guckten mich
gespannt an. Ich konzentrierte mich auf die Nummer und sagte sie mir im Geiste
wieder und wieder vor, die Vorwahl brauchte ich mir natürlich nicht zu
merken, aber der Rest war knifflig, irgendwie schwierig, es war keine der mir
geläufigen 612-, 618-, 691-Nummern aus Kreuzberg und auch keine der 7erNummern
aus Schöneberg, wie man sie von früher gewohnt war, es war etwas mit 2 vorne,
das war schwierig, jedenfalls sagte ich nichts und sie schauten mich an und
dann sagte Werner was, aber ich hörte nicht zu, ich musste erst die Nummer
sicher im Kopf haben, also erst 2, dann das aktuelle Jahr minus 2, dann mein
Alter plus 2, dann das meiner Mutter, dann hatte ich es, erst die 2, dann das
aktuelle Jahr minus 2, dann mein Alter plus 2, dann das Alter meiner Mutter, so
ging’s.
»Ich hab
die neulich im Eiscafé getroffen, also einen von denen, das war reiner Zufall«,
sagte ich.
»Was sind
das denn für Leute? Und was ist BummBumm Records?« Werner schaute streng und
die anderen schauten streng mit.
»Im Eiscafé
hab ich ihn getroffen.«
»Was hast
du da denn gemacht?! Wann überhaupt?«
»Naja
neulich, weißt du doch, das ist ein paar Tage her.« Immer schön die 2, die 2
vorne, dann das Jahr minus 2 und dann mein Alter plus 2 und dann die Mutter,
das war einfach, Hauptsache erst minus, dann plus, das durfte man nicht
durcheinander kriegen, von minus zu plus, und nach der ersten 2 erst das Jahr
minus 2, dann mein Alter plus 2, dann das Alter der Mutter, immer schön die 2,
außer bei der Mutter.
»Was hast
du da denn gemacht?«
»Einen
Eisbecher ›Monteverdi‹ gegessen, Werner, was denn sonst?!«
»Einen was?!«
»Einen Eisbecher
›Monteverdi‹. Aber ohne Eierlikör und ohne Maraschino-Kirsche, hab ich
extra gesagt.«
Ein Seufzen
ging durch die Runde. Werner zog aufgeregt an seiner Zigarette.
»Soso, das
war also das, wo du angeblich nur einen Espresso ohne Zucker hattest, ja? Auch
noch gelogen. Nicht nur da hin, auch noch gelogen. Wie oft
haben wir darüber eigentlich schon geredet, dass das Romantica …«
Ich hörte
nicht mehr zu. Vorne die 2, dann das Jahr minus 2, dann mein Alter plus 2 und
dann das Alter meiner Mutter.
Jetzt
brauchte ich nur noch ein funktionierendes öffentliches Telefon.
7. Magical Mystery
Am
nächsten Tag war
schon Freitag, und ich erwog beim Tierefüttern schon allen Ernstes, vielleicht
selber und von mir aus und ohne Aufforderung, also völlig unangemeldet und
ungebeten zu Dr. Selge zu gehen und mit ihr quasi partnerschaftlich oder
jedenfalls auf gleicher Augenhöhe und von Mensch zu Mensch zu klären, wie das
nun alles werden sollte mit St. Magnus und der Tierfütterung und dem ganzen
Scheiß. Besonders um Jimmy und Johnny, die beiden kleinen Affen, machte ich mir
Sorgen, der einzige Knallkopf in dem ganzen Haus, der kurzfristig als Tierfütterer
in Frage kam, war Herr Meining, der Tiertherapeut, und der ekelte sich vor
Mehlwürmern, da würden dann erst einmal harte Zeiten für Jimmy und Johnny
anbrechen, außerdem hasste er die Affen, weil sie sich vor den Kindern öfter
mal einen runterholten, Herr Meining war nicht der Typ, der aus seinem
Antisex-Herzen eine Mördergrube machte, er hatte schon die Kaninchen kastrieren
lassen und die Ziegen hatte er nach Männchen und Weibchen getrennt halten
wollen, aber da hatte Herr Munte bis zu seinem Tod dagegengehalten und bei mir
hatte Herr Meining auch davon angefangen, da hatte ich ihm unter der Bedingung
zugestimmt, dass er sich das Tierefüttern mit mir fifty-fifty teilte, danach
war Ruhe gewesen.
Aber mit
der Ruhe
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