Magical Village 1 Zimt und Zauber
natürlich seinen Tribut fordern. Sie konnte und wollte nicht wie Tarnia um ewige Jugend kämpfen. Vielleicht fand sich in Granny Westwards Aufzeichnungen ja irgendeine Mixtur, mit deren Hilfe sich der Zahn der Zeit ein wenig aufhalten ließe. Wahrscheinlich aber wohl eher nicht. Zu Zeiten von Granny Westward war man ja schließlich noch nicht so sehr auf seine äußere Erscheinung und Eitelkeit fixiert.
Ja nun, das war eben ihr Körper, er war alles, was sie hatte, und sie fühlte sich wohl darin. Und außerdem schien Joel mit ihr ja mehr als zufrieden gewesen zu sein.
Verschmitzt lächelnd zwinkerte sie ihrem Spiegelbild zu. Nachdem sie ihre Augen mit Kajal und einer Spur Wimperntusche umrandet und Lippenstift aufgetragen hatte, besprühte sie sich leicht mit Opium. Es war genau das richtige Parfüm für die Hochzeit gewesen – jetzt am Morgen als Duftnote wahrscheinlich zu schwer, aber immer noch verführerischer als Hafermehl.
Mitzi schlüpfte wieder in den Pullover und öffnete die Badezimmertür. Joel schlief immer noch. Die Badezimmeraktivitäten hatten ihn nicht geweckt. Sie hätte gerne den kleinen Wasserkocher in Gang gesetzt und Kaffee gekocht, wollte ihn aber nicht stören. Stattdessen setzte sie sich auf das breite Fensterbrett und betrachtete den Schnee.
Die Hauptstraße war kaum wiederzuerkennen in ihrem neuen, silbrig glitzernden weißen Gewand. Irgendwo in der Ferne röhrte ein Schneepflug, und freudiges Kindergeschrei tönte durch die Stille. Die Kirchenglocken von Hazy Hassocks stimmten ihr Festtagsgeläut an. Dem Pfarrer war es
wohl gelungen, sich einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Mitzi fragte sich, wie viele Schäfchen seiner Einmal-im-Jahr-Gemeinde es an diesem Morgen wohl schaffen würden, durch die Märchenlandschaft schlitternd zur Kirche zu kommen, um für das Wunder vor all den Jahren Dank zu sagen?
Doch wenn dieser Morgen himmlisch war, so war die vergangene Nacht reine Magie gewesen.
Joel hatte mit ihr zu »Witchcraft« getanzt, und sie hatten sich hemmungslos dicht aneinandergeschmiegt zur Musik bewegt. Sie war so glücklich gewesen wie noch nie im Leben. Doll und Lu hatten ihnen beim Tanzen zugesehen und breit gegrinst. Und als Joel später, mitten während »Do You Believe In Magic?« in Richtung Bar verschwunden war und mit Otto und Boris etwas nicht zu Verstehendes besprochen hatte, war Mitzi einfach davon ausgegangen, dass er nur noch mehr Champagner bestellte.
Sie war völlig überrascht gewesen, als er ihr die Hand reichte und sie von der wilden Party im Schankraum fort unter niedrigen Deckenbalken durch die knarzenden Flure des Faery Glen geführt hatte.
»Hat uns irgendwer hinausgehen sehen?«, hatte er lächelnd gefragt.
Sie hatte den Kopf geschüttelt.
»Gut.«
Noch immer Hand in Hand hatten sie die enge eichengetäfelte Treppe erklommen, und Joel hatte am Ende des Korridors eine Tür aufgeschlossen.
Das Schlafzimmer – weiße Wände mit von dunklen Balken durchzogener niedriger Decke und eingerichtet in sattem Pflaumenblau und Creme – wurde von winzigen Lampen erhellt.
»Oh!« Erstaunt hatte Mitzi sich das üppig dekorierte Himmelbett angesehen. »Oh …«
»Es ist nicht die Hochzeitssuite«, hatte Joel mit leicht besorgtem Blick erklärt. »Die haben Otto und Boris für das glückliche Brautpaar reserviert, falls die beiden es sich noch anders überlegen. Aber dies hier tut es auch, oder?«
Unfähig, etwas zu sagen, hatte Mitzi genickt.
Joel hatte sie an sich gezogen. »Ich hatte reichlich Zeit, darüber nachzudenken, warum du – ich meine wir – nun ja, was nach unserem Abend bei Lorenzo schiefgegangen war.«
»Es war mein Fehler. Ich habe mich albern benommen und hätte dir erklären sollen -«
»Keine Entschuldigungen.« Joel hatte sich zu ihr herabgebeugt und sie zärtlich geküsst. »Nicht jetzt. Ich war an dem Abend auch nicht besonders glücklich über die Aussicht, von Lulu und Shay gestört zu werden. Ich wollte auch, dass es etwas Besonderes ist. Nur war mir in der Hitze des Augenblicks der Wunsch nach dem Besonderen dann wohl irgendwie entfallen – wie wir Männer eben so sind.«
Mitzi hatte die Arme um seinen Hals geschlungen. »Ich dachte, du hättest geglaubt, ich wollte dich einfach nicht.«
»Ja, hab ich auch. Eine ganze Zeit lang. Natürlich war es dein gutes Recht, es dir anders zu überlegen, aber ich habe mich doch gefragt, was ich falsch gemacht hatte. Nichtsdestotrotz«, und wieder hatte er sie geküsst, »bin ich ein
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