Magie der Sehnsucht - Roman
Das Buch in einem Arm, berührte Grace mit der anderen Hand ihre Stirn und taumelte, als würden ihre Sinne schwinden. »Oh, hilf mir, Mondherrin! Wie soll ich mich dieses unerwünschten Liebhabers erwehren? Rette mich, schnell, bevor mich meine Katzenallergie umbringt!«
»Gib mir das Buch!«, zischte Selena und riss es ihr aus dem Arm. Dann kehrte sie ins Haus zurück und blätterte in den alten Pergamentseiten. »Verdammt, was habe ich falsch gemacht?«
»Gar nichts, Schätzchen.« Grace folgte ihr ins Wohnzimmer. »Das alles ist eine alberne Farce. Wie oft soll ich’s dir noch sagen? Irgendwo in einer Dachkammer sitzt ein kleiner alter Mann, der das alles erfindet. Und jetzt lacht er sich schlapp, weil wir auf seinen Blödsinn reingefallen sind …«
»Vielleicht müssen wir was anderes tun. Ja, ich wette, in diesen ersten Zeilen steht irgendwas, das ich nicht lesen kann. Genau, das muss es sein.«
Grace schloss die Glastür, starrte in die Nacht hinaus und bat den Sternenhimmel um Geduld. Und Selena nennt mich starrsinnig …
In diesem Moment läutete das Telefon. Grace meldete sich und erkannte die Stimme Bills, der nach seiner Frau fragte. »Für dich!«, rief sie und reichte den Hörer ihrer Freundin.
»Ja?« Selena lauschte ein paar Sekunden, und Grace hörte Bills aufgeregtes Gestammel am anderen Ende der Leitung. Dann beobachtete sie, wie ihre Freundin blass wurde. Offenbar stimmte irgendetwas nicht. »Okay, okay, ich komme sofort nach Hause. Alles halbwegs in Ordnung? Bist du sicher? Ja, ich liebe dich. Ich bin schon unterwegs. Tu erst mal gar nichts – warte, bis ich da bin.«
Kalte Angst drehte Graces Magen um. In ihrer Fantasie sah sie den Polizisten an der Tür des Schlafsaals, hörte seine leidenschaftslose Stimme. Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen …
»Was ist los?«
»Bill ist beim Basketball gestürzt und hat sich den Arm gebrochen.«
Erleichtert atmete Grace auf. Gott sei Dank, kein Autounfall. »Ist es gefährlich?«
»Nein. Zumindest behauptet er, es sei nicht so schlimm. Seine Freunde haben ihn ins Krankenhaus gebracht, um ihn röntgen zu lassen, und danach zu Hause abgesetzt. Obwohl er sagt, ich soll mir keine Sorgen machen – sicher ist es besser, wenn ich mich um ihn kümmere.«
»Natürlich. Ich fahre dich heim.«
»Lieber nicht, du hast zu viel Wein getrunken, im Gegensatz zu mir. Außerdem ist es sicher nichts Ernstes. Du weißt ja, dass ich mich dauernd grundlos aufrege. Bleib hier und amüsier dich noch ein bisschen vor dem Fernseher. Morgen rufe ich dich an.«
»Okay, dann musst du mir sagen, wie es ihm geht.«
Selena nahm ihren Schlüsselbund aus dem Korb. Auf dem Weg zur Tür gab sie Grace das Buch. »Was soll’s, zum Teufel? Das schenke ich dir. In den nächsten Tagen wirst du dich noch öfter halb kranklachen, wenn du dich erinnerst, wie dumm ich war.«
»Unsinn, du bist nicht dumm – nur exzentrisch.«
»Genau das haben sie über Mary Todd Lincoln, die Frau des Präsidenten, damals auch gesagt. Bis sie eingesperrt wurde.«
Belustigt ergriff Grace das Buch und schaute ihrer Freundin nach, die zu ihrem Auto ging. »Fahr vorsichtig!«, rief sie. »Und vielen Dank für deinen Besuch – und das Geschenk.«
Selena stieg in ihren kleinen roten Jeep Cherokee, winkte ihr und fuhr davon.
Nachdem Grace die Tür geschlossen hatte, seufzte sie müde. Wieder im Wohnzimmer, warf sie das Buch auf die Couch. »Das war wohl nichts, Liebessklave.«
Wie alberne kleine Mädchen hatten sie sich benommen. Würde Selena jemals mit diesem Unsinn aufhören?
Sie schaltete den Fernseher ab, dann trug sie das schmutzige
Geschirr in die Küche. Während sie die Gläser spülte, sah sie ein helles Licht aufflammen.
Sekundenlang glaubte sie, ein Blitz würde ein Gewitter ankündigen.
Bis sie merkte, dass dieses Licht innerhalb des Hauses strahlte.
»Was zum Henker …?« Verblüfft stellte sie die Weingläser beiseite und eilte zum Wohnzimmer. Zunächst sah sie gar nichts. Aber als sie die Tür erreichte, spürte sie die Gegenwart einer fremden Person, und ihre Nackenhaare sträubten sich.
Vorsichtig betrat sie den Raum und sah eine hochgewachsene Gestalt vor der Couch stehen.
Es war ein Mann.
Ein sehr attraktiver Mann.
Ein nackter Mann!
3
GRACE TAT, WAS jede Frau tun würde, wenn sie einen fremden nackten Mann in ihrem Wohnzimmer sah – sie schrie. Dann rannte sie zur Tür. Aber sie vergaß die Sofakissen, die auf dem Boden lagen, stolperte und
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