Magie der Sehnsucht - Roman
kannte Grace nur einen einzigen Gedanken. Wie stark er war – ein Mann, der sie einfach auf die Arme nahm, ohne zu ächzen. Aber sobald sie die hölzerne Ananas auf dem Treppenpfosten erreichten,
kam sie zur Besinnung. »Moment mal!«, protestierte sie und umklammerte die geschnitzte Mahagonifrucht wie einen Rettungsanker. »Wohin bringst du mich?«
Da hielt er inne und schaute sie neugierig an. Welch ein großer, starker Mann … In diesem Augenblick erkannte sie, wie hilflos sie seiner Kraft ausgeliefert war. Angstvoll erschauerte sie. Aber trotz der Gefahr spürte sie, dass sie ihn nicht fürchten musste. Niemals würde er sie absichtlich verletzten.
»In dein Schlafzimmer«, erwiderte er so beiläufig, als würden sie das Wetter erörtern. »Dort werden wir vollenden, was wir hier unten begonnen haben.«
»Das glaube ich nicht.«
Lässig zuckte er mit den himmlisch breiten Schultern. »Ziehst du die Treppe vor? Oder vielleicht die Couch?« Er sah sich um und schien andere Möglichkeiten zu erwägen. »Gar keine schlechte Idee … Es ist lange her, seit ich mit einer Frau auf …«
»Nein, nein, nein! Nur in deinen Träumen wirst du mit mir schlafen. Und jetzt lass mich runter, bevor ich ernsthaft böse werde.«
Zu ihrer Verblüffung gehorchte er. Auf ihren eigenen Füßen fühlte sie sich etwas sicherer und stieg zwei Stufen hinauf. Nun standen sie sich Auge in Auge gegenüber. Sie war ihm ebenbürtig. Falls man einem Mann mit so übermenschlichen Kräften ebenbürtig sein konnte.
Plötzlich wurde ihr die volle Bedeutung seiner Anwesenheit bewusst. Ein Mann aus Fleisch und Blut. Oh Gott, gemeinsam mit Selena hatte sie ihn tatsächlich zum Leben erweckt!
Mit ausdruckslosen Augen starrte er sie an. »Warum ich hier bin, verstehe ich nicht. Wenn du mich nicht in dir spüren willst – warum hast du mich dann gerufen?«
Beinahe stöhnte Grace, als sie seine Worte hörte. Schlimmer noch – in ihrer Fantasie erschien das Bild seines hinreißenden Körpers auf ihrem. Wie würde ein Liebesakt mit einem so reizvollen Mann verlaufen? Sicher war er phänomenal im Bett. Ohne jeden Zweifel – so, wie er sich bisher präsentiert hatte …
Was faszinierte sie dermaßen an ihm? Noch nie hatte sie ein so heißes sinnliches Verlangen empfunden. Am liebsten wäre sie sofort mit ihm zu Boden gesunken, um seine Manneskraft zu genießen.
Und das ergab keinen Sinn. Im Lauf der Jahre hatte sie sich an unverblümte Schilderungen sexueller Erlebnisse gewöhnt, denn manche Patienten legten es sogar darauf an, sie zu schockieren oder zu erregen. Keiner hatte ein so wildes Feuer in ihr entfacht. Aber jetzt sehnte sie sich geradezu inbrünstig nach diesem fremden Mann.
Dieser Gedanke, der so gar nicht zu ihr passte, ernüchterte Grace, und sie öffnete den Mund, um seine Frage zu beantworten. Dann zögerte sie. Was sollte sie mit ihm machen? Abgesehen von der Erfüllung ihrer heißen Wünsche …
Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Was soll ich bloß mit dir anfangen?«
Seine Augen waren vor Lust ganz dunkel, und er griff wieder nach ihr.
Oh ja, bettelte ihr Körper, bitte, berühr mich überall!
»Hör auf!«, fauchte sie Julian und sich selber an. Nein, sie würde ihre Beherrschung nicht verlieren, ihr Verstand musste die Hormone besiegen. Einen Fehler, den sie einmal begangen hatte, würde sie nicht wiederholen.
Sie sprang noch eine Stufe hinauf und musterte ihn mit schmalen Augen. Oh Gott, er war wirklich wundervoll. Teilweise von einem dunkelbraunen Lederband umwunden,
reichte sein Haar bis zur Mitte des Rückens. Die restlichen Locken waren zu drei Zöpfen geflochten, mit winzigen Perlen an den Enden. Bei jeder Bewegung schwangen sie umher.
Über betörenden und zugleich beängstigenden Augen wölbten sich goldene Brauen. Und seine Augen strahlten sie viel zu verführerisch an.
In diesem Moment wollte sie Selena allen Ernstes ermorden.
Aber noch viel lieber würde sie mit diesem Mann ins Bett kriechen und ihre Zähne in seine goldene Haut graben.
Hör auf damit!
»Was hier vorgeht, begreife ich nicht«, gestand sie schließlich. Nun musste sie die Situation überdenken und entscheiden, wie sie sich verhalten sollte. »Erst einmal will ich mich setzen. Und du …« Ihr Blick wanderte über seinen perfekten Körper. »Zieh irgendwas an.«
Julians Mundwinkel zuckten. So etwas hatte noch keine Frau von ihm verlangt.
Ganz im Gegenteil – alle Frauen, die ihm vor dem Fluch begegnet waren, hatten ihn möglichst
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