Magie der Sehnsucht - Roman
Rechnung. Auch Selena warf einen Blick darauf und brach in schallendes Gelächter aus.
»Warte nur!« Grace unterdrückte ein Lächeln und tippte ihren Anteil an dem Mittagessen in ihren Palm Pilot. »Dafür werde ich mich an dir rächen.«
Ohne die Drohung zu beachten, kramte Selena in ihrer kleinen, mit Perlen bestickten Tasche nach Geldscheinen. »An deiner Stelle würde ich mir die Nummer aufheben. So ein süßer Typ …«
»Ein zu junger Typ«, korrigierte Grace. »Nichts für mich. Meinst du, ich will wegen Verführung Minderjähriger im Knast landen?«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte Selena den Kellner, der mit einer Hüfte an der Bar lehnte. »Vielleicht würde sich’s für Mr Brad Pitts Doppelgänger sogar lohnen. Ich frage mich, ob er einen älteren Bruder hat.«
»Und ich frage mich, was Bill sagen würde, wenn er wüsste, dass seine Ehefrau in ihrer Mittagspause kleine Jungs angafft.«
Seufzend warf Selena das Geld auf den Tisch. »Für
mich selber begutachte ich ihn nicht, sondern für dich. Immerhin haben wir dein Sexualleben erörtert.«
»Nun, mein Sexualleben ist prima und geht die Leute in diesem Restaurant nichts an.« Auch Grace legte ihr Geld auf den Tisch, schob den letzten Käsewürfel in den Mund und eilte zur Tür.
»Nicht so schnell …« Selena folgte ihr auf den Jackson Square hinaus, wo sich zahllose Touristen und Einheimische tummelten. In die Kakophonie aus Stimmen, Pferdewiehern und Automotoren mischte sich ein einsames Jazz-Saxophon.
Grace drängte sich zwischen der Menschenmenge und den Kiosken hindurch. Dicht aneinandergereiht, standen sie vor dem schmiedeeisernen Zaun, der den Platz umgab. In der stickigen Louisiana-Hitze konnte sie kaum atmen.
»Natürlich habe ich Recht«, konstatierte Selena, als sie ihre Freundin einholte. »Du meine Güte, Grace! Wie lange ist es jetzt her? Zwei Jahre?«
»Vier«, antwortete Grace geistesabwesend. »Aber wer zählt das schon?«
»Also vier Jahre ohne Sex?«, rief Selena ungläubig. Ein paar Passanten starrten sie neugierig an, was sie wie üblich übersah. »Erzähl mir bloß nicht, du hättest vergessen, dass wir im elektronischen Zeitalter leben! Wissen deine Patienten eigentlich, wie lange du’s schon ohne Sex aushältst?«
Grace schluckte den Käse hinunter und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Musste Selena so schreien? Damit alle Leute – und dazu noch alle Pferde – im Vieux Carré zuhörten? »Etwas leiser, bitte!«, flehte sie. Dann fügte sie trocken hinzu: »Ob ich eine wiedergeborene Jungfrau bin oder nicht, wird meine Patienten wohl kaum interessieren. Und was das elektronische Zeitalter betrifft – ich habe wirklich keine Lust auf Intimitäten mit einem Ding,
das von einer Batterie betrieben wird – an dem ein Warnhinweis klebt …«
»Klar«, schnaufte Selena verächtlich, »wenn man dich reden hört, sollten die meisten Männer mit Warnhinweisen rumlaufen.« Um ihre nächsten Worte zu unterstreichen, hob sie beide Hände. »Vorsicht, ein Psychopath! Ein Macho, der zu grässlichen Launen neigt, ständig schmollt und einer Frau ohne Vorwarnung die Wahrheit über ihr Gewicht sagt.«
Grace lachte. Diesen Witz über Männer, die Warnschilder brauchten, hörte sie schon zum hundertsten Mal.
»Ah, ich verstehe, Dr. Sex …« Gekonnt imitierte Selena den Tonfall der TV-Sexualberaterin Dr. Ruth. »Also sitzen Sie einfach da und lassen die Leute all die pikanten Details ihrer sexuellen Begegnungen schildern. Auf diese Weise finanzieren Sie Ihr Luxusleben …« Dann fuhr sie mit ihrer normalen Stimme fort: »Wenn ich mir vorstelle, was du in deiner Sprechstunde zu hören kriegst, verstehe ich nicht, wieso deine Hormone nicht verrückt spielen.«
In gespielter Verzweiflung schaute Grace zum Himmel hinauf. »Ja, Lanie, ich bin eine Sex-Therapeutin, und es würde meinen Patienten wenig nützen, wenn ich la petite mort genieße, während sie mir ihre Probleme anvertrauen. Vermutlich würde ich sogar meine Lizenz verlieren.«
»Und wie kannst du ihnen Ratschläge geben, obwohl du keinen Mann an dich ranlässt?«
Grace schnitt eine Grimasse und begleitete ihre Freundin zur anderen Seite des Platzes. Dort stand, direkt gegenüber dem Touristeninformationszentrum, Selenas Kiosk, an dem sie ihren Kunden die Tarotkarten legte oder aus der Hand las. Als Grace den kleinen Kartentisch mit dem violetten Tuch erreichte, holte sie rief Luft. »Ich wäre sofort zu einem Date bereit, wenn ich einen Mann finde,
für den
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