Magie, Liebe Und Desaster
nur die Telefonnummer da, manche aber waren mit einer Adresse versehen. Kronberg. Das stank nach Geld. Kurz entschlossen änderte ich meine Pläne. Bevor ich mit Menschen telefonierte, deren Tageskleidung wertvoller als meine gesamte weltliche Habe war, musste ich einkaufen. Man konnte am Telefon nicht überzeugend klingen, wenn man eine zwei Jahre alte, schäbige Jeans und ein billiges T-Shirt trug. Ich musste reich klingen, ich musste mich reich fühlen, ich musste zur Goethestraße!
Glücklicherweise lag die Wohnung in der Nähe der teuersten Einkaufsstraße von Frankfurt. Von Jill Sander über Bogner bis hin zu Escada oder Kriszia gab es dort alles, was das reiche Herz begehrte. Irene hatte mir unvorsichtigerweise einen Vorschuss gegeben. Voller Elan machte ich mich auf, das Geld unter die Leute zu bringen.
Nach etwa zwei Stunden war eines klar: Für den Betrag von 180 Euro hätte ich allenfalls einen Gürtel von Krizia erstehen können. Noch dazu einen, der sich außer im Preis in Nichts von einem 15 Euro Gürtel von Woolworth unterschied. Natürlich hätte ich auch ein apfelgrünes Seiden-T-Shirt für lächerliche 200 Euro kaufen können. Nur, dass ich in Apfelgrün aussah, als wäre mir gerade schlecht. Die Verkäuferinnen hatten mich allesamt mit geschultem Blick angeschaut, um sich dann in die andere Richtung zu drehen und vielversprechendere Kundinnen zu bedienen. Ich hatte allmählich die Nase voll. Da wollte ich einmal in zehn Jahren auf der Goethestraße einkaufen gehen und fand nichts, wofür es sich lohnte, Geld auszugeben. Gut. Dann eben doch auf die Zeil zu New Yorker.
Etliche T-Shirts, mehrere Hosen, neue Unterwäsche und zwei Sommerkleider später, ächzte ich die Treppe zur Wohnung hoch und lud meine Einkäufe auf der Couch ab. Dann plumpste ich daneben, um zu verschnaufen. Bei 30° im Schatten einkaufen zu gehen, war Schwerstarbeit. Allein die Ozonwerte konnten einen umbringen. Müdigkeit überkam mich. Es konnte sicherlich nichts schaden, ganz kurz zu entspannen.
Ein melodisches Klingeln ertönte. Mühsam öffnete ich die Augen. Es dauerte einen Moment, bis ich wusste, wo ich war. Noch länger dauerte es, bis ich in der Dämmerung mein Handy fand. Wie konnte es nur so schnell dunkel werden? Es war doch Sommer.
„ Und? Hast du schon etwas herausgefunden?“ Die energiegeladene Stimme meiner Schwester. Hatte sie mich nicht schon heute Morgen aus dem Schlaf gerissen? Verzweifelt bemühte ich mich um einen wachen Tonfall.
„ Ja, also nein. Die meisten habe ich telefonisch noch nicht erreicht. Ich probiere es heute Abend noch einmal."
„ Hast du geschlafen? Du klingst müde.“
„Nein, das heißt ja. Müde bin ich schon, aber ich habe nicht geschlafen, sondern gearbeitet.“
„ Herr Schmitt möchte Resultate sehen und nicht einer verschlafenen Großstadthexe finanziell unter die Arme greifen. Also sieh zu, dass du etwas bewegst.“
Typisch. Irene klang mal wieder wie ein Sklaventreiber. Den Ton hatte sie schon als Kind draufgehabt. Bevor ich in meiner trotzigen Art darauf reagieren konnte, so wie damals als Fünfjährige, legte sie auf. Ich riskierte einen Blick auf die Digitaluhr meines Handys. Oh, neun Uhr abends. Ich hatte zwei Stunden lang geschlafen!
Es stellte sich die Frage, ob dies die richtige Tageszeit war, um im noblen Kronberg wildfremde Menschen anzurufen. Andererseits waren die Privatdetektive aus Büchern auch nicht so zart besaitet und nervten die Menschen, von denen sie sich Informationen erhoffen, auch zu jeder Uhrzeit.
Ich holte mir die Liste mit den Telefonnummern, setzte mich auf die Couch und überlegte, wie ich die Sache angehen sollte. Dabei fiel mir auf, dass ich einen fürchterlichen Hunger hatte. Also stand ich noch einmal auf und ging in die Küche, um mir den Milchreis zu holen, den ich in der Freßgass gekauft hatte. Ich liebte das Zeug. Es war süß, pampig und mit ein wenig teurem Obstsalat, ebenfalls von der Freßgass, schmeckte es göttlich.
Während ich mein Essen verschlang, ließ ich mir unterschiedliche Texte durch den Kopf gehen. Irgendwie musste ich die Freunde von Thorsten dazu bringen, mir zu vertrauen und mir seinen Aufenthaltsort zu verraten, falls sie ihn wussten. Am Ende entschied ich mich für die Wahrheit. Was war schon Schlimmes an einer Erbschaft? Sie würden froh sein, ihm helfen zu können!
Optimistisch wählte ich die erste Nummer. Matthias Gronerat war der oberste Name auf der Liste. Er meldete sich sogar gleich. Vor
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