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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Lappalien, Kleinkram. Aber bin ich Gott, dann muß ich herrschen, nicht wahr? Das ist nur logisch, das ist mein Recht. Wirklich herrschen, uneingeschränkt. Wissen Sie denn, was das ist, wirkliche, Göttliche Macht über die Menschen zu haben? Wie nichtig sind dagegen Generalsepauletten, Ministersessel und selbst der Zarenthron. Solche Herrschaft wird in unseren Zeiten zum Anachronismus. Den Machthabern des neuen, anbrechenden Jahrhunderts wird das nicht mehr genügen. Es kommt darauf an, nicht über die Körper zu herrschen, sondern über die Seelen. Ich sage zu einer fremden Seele: ›Stirb!‹, und sie stirbt. So war es |294| bei den Raskolniki, wenn sie sich auf Geheiß des Starez zu Hunderten ins Feuer stürzten und die Mütter ihre Säuglinge in die Flammen warfen. Der Starez aber verließ die brennende Einsiedelei, um eine andere Gemeinde zu ›retten‹. Sie, Herr Gendsi, sind ein beschränkter Mensch und werden diesen Genuß, den höchsten von allen, nie verstehen … Ach, warum vergeude ich mit Ihnen meine Zeit! Zum Teufel mit Ihnen, ich habe Sie satt.«
    Nachdem Prospero die letzten zwei Sätze in verächtlichem Ton hervorgestoßen hatte, drehte er plötzlich den Bronzerecken im Uhrzeigersinn. Es ertönte ein metallisches Kreischen, und unter dem Sessel, in dem Gendsi saß, tat sich eine quadratische Luke auf, genauso groß wie der Teppich.
    Der Teppich, der Eichensessel und der in ihm sitzende Mann verschwanden in dem schwarzen Loch.
    Ich schrie vor Entsetzen auf, außerstande, die Augen von der im Boden klaffenden Öffnung zu lösen.
    »Noch eine Ingenieursleistung!« rief Prospero und verschluckte sich an einem krampfhaften Lachen. »Ausgefeilter als alle vorigen!« Er fuchtelte mit der Hand, außerstande, den Anfall von Fröhlichkeit zu unterdrücken. »Da saß ein wichtiger Mensch, Herr seines Lebens. Dann eine Drehung des Hebelchens, die Feder löst sich, und par-dauz! Geruhen Sie im Brunnen zu verschwinden.«
    Sich die Tränen wegwischend, teilte er mir mit: »Verstehst du, Freund Horatio, voriges Jahr hatte ich die Idee, den Keller weiter auszuschachten. Die Arbeiter begannen zu graben und entdeckten einen uralten, aus Stein gemauerten Brunnen. Sehr tief, über sechzig Meter. Ich ließ einen Schacht darauf setzen und mit kleinen Ziegeln auskleiden, direkt bis hierher. Die Luke habe ich dann selber fertiggestellt. Ich arbeite in meinen Mußestunden gern mit den Händen, dabei |295| erholt sich die Seele. Der verstorbene Herr Gendsi hat mir unrecht getan, als er meinte, ich wäre mir für schwere Arbeit zu fein – auch den Stimmenimitator in Abaddons Wohnung habe ich eigenhändig installiert. Was die Geheimluke betrifft, so habe ich sie eigentlich nur zum Vergnügen gebaut. Ich plaudere hier manchmal mit einem Gast über Gott und die Welt. Er sitzt im Sessel, auf dem Ehrenplatz, ich sitze am Schreibtisch und spiele mit dem Hebelchen. Dabei denke ich: Dein Leben, mein Guter, liegt hier in diesen Fingern. Eine kleine Drehung, und du verschwindest vom Angesicht der Erde. Das erhöht enorm die Selbstachtung, besonders wenn der Gast aufgeblasen und hochnäsig ist wie der vorzeitig verblichene japanische Prinz. Ich hätte gar nicht gedacht, daß mein Spielzeug mal so nützlich sein könnte.«
    Ich saß in völliger Erstarrung, hörte diese schaurigen Reden und bekam mit jedem Augenblick mehr Angst. Nichts wie weg, dachte ich, sofort! Sonst wirft er mich auch noch in den Brunnen.
    Ich wollte zur Tür stürzen, aber da fiel mein Blick auf die »Bulldogge«, die noch auf dem Tisch lag. Womöglich würde sich Prospero die Waffe schnappen und mir in den Rücken schießen.
    Ich mußte mir den Revolver holen!
    Mit dem Mut der Verzweiflung sprang ich auf und streckte die Hand nach ihm aus, doch Blagowolski war schneller – meine Finger stießen gegen seine Hand, die den Revolver umklammerte. Im nächsten Moment kämpften vier Hände um die Waffe. Mit kleinen Schritten umrundeten wir den Tisch, ich von der einen, er von der anderen Seite, und trampelten auf der Stelle – ein makabrer Tanz.
    Ich verpaßte ihm einen Tritt, er mir ebenfalls, traf meinen Knöchel. Es tat sehr weh, aber ich ließ nicht los. Mit aller |296| Kraft wollte ich die Waffe zu mir herüberziehen. Wir verloren beide das Gleichgewicht und stürzten zu Boden. Der Revolver entglitt unseren Händen und rutschte über das blanke Parkett bis an den Rand der Luke. Dort wippte er unschlüssig hin und her. Ich kroch auf allen vieren hin, aber zu

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