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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Fortschritt beschert uns ständig neue Überraschungen, und nicht immer nur angenehme.«
    Dieser Satz kam einem Geständnis gleich!
    »Mit der Löwin der Ekstase haben Sie es sich ganz einfach gemacht«, leitete Gendsi zum nächsten Opfer über. »Diese von Kummer gebrochene Frau sehnte tatsächlich den Tod herbei, und als sie dreimal eine schwarze Rose auf ihrem Bett fand, hielt sie es ohne Zögern für ein Zeichen. Dieser Trick bereitete Ihnen, wie wir wissen, keine Schwierigkeiten.«
    »Aber das letzte Mal sagten Sie, daß Caliban die Rosen überbracht hat«, erinnerte ich.
    »Ja, und dieser Umstand hat mich in die Irre geführt. Da Sie die Rede auf Caliban gebracht haben, wollen wir gleich klarstellen, was für eine Rolle diese eigenartige Figur in unserer Geschichte wirklich spielte. Der Buchhalter hat alles sehr verwirrt und mich von der richtigen Spur abgebracht, indem er mit einem Schlag jeden Verdacht von dem Hauptverbrecher ablenkte. Durch meinen Fehler hätte die leichtgläubige Colombina fast das Leben verloren.
    Prospero, Sie waren diesem Verrückten, den schwere Prüfungen und Gewissensbisse um den Verstand gebracht hatten, nicht umsonst gewogen. Er fungierte bei Ihnen tatsächlich als gehorsamer Caliban, als Sklave des allmächtigen Zauberers – ein Sklave, der Ihnen blind und bedingungslos ergeben war. Sie lobten seine grausigen Gedichte, Sie zeichneten ihn auf jede erdenkliche Art aus, und er hoffte, daß Sie beim TOD sein Fürsprech sein werden. Er erfüllte eine Zeitlang gehorsam Ihre Aufträge, deren Sinn er offensichtlich nicht erfaßte. Ich nehme an, daß Caliban die Rohre in Abaddons Wohnung installierte – Sie wären mit dieser schweren Arbeit, die handwerkliche Fertigkeit und außergewöhnliche |287| Körperkraft erforderte, wohl kaum fertig geworden, und einen Fremden heranzuziehen, wäre zu riskant gewesen. Drei schwarze Rosen für Loreley bei ihrer Mitbewohnerin abgeben? Warum nicht? Wahrscheinlich sagten Sie Papuschin-Caliban, Sie wollten der Löwin, die ihn stets mit ihrer Exaltiertheit aufgebracht hatte, einen Streich spielen.
    Wie konnte ich nur glauben, daß dieser schwachköpfige Hüne der böse Genius der ›Liebhaber des Todes‹ war! Wäre er etwa auf den Trick mit den Feuerbuchstaben und dem heulenden Tier gekommen? Wie wahr sind die Worte des chinesischen Weisen: ›Das Offensichtliche ist selten wahr …‹« Gendsi schüttelte zornig den Kopf. »Aber Ihr treuer Dschinn ist nicht in der Flasche geblieben, er ist in die Freiheit entsprungen und begann auf eigene Faust zu handeln. Das Todesverlangen verzehrte diese kranke, rasende Seele immer mehr. Caliban rechnete mit Gdlewski ab und durchkreuzte damit Ihren raffinierten Plan, der kurz vor der Verwirklichung stand. Warum mußten Sie diesen stolzen, begabten Jüngling verderben? Nur um Ihren Ehrgeiz zu befriedigen? Zuerst die russische Sappho, dann der russische Rimbaud – beide legten, Ihrem Willen folgend, Hand an sich. Im Schatten bleibend, beraubten Sie die russische Poesie ihrer zwei markantesten Namen. Und bei alledem hatten Sie gute Chancen, straffrei auszugehen. Wie kläglich sind im Vergleich zu Ihnen d’Anthès und Martynow, die trivialen Mörder von Genies!
    Oder war alles viel einfacher, intuitiver? Der romantische Jüngling, von seiner mystischen Reimtheorie fasziniert, schlug ein Buch auf, las als erstes das Wort ›Brot‹, ein Reimwort auf ›Tod‹, und erzählte Ihnen stolz von diesem wunderbaren ›Zeichen‹. Zum nächsten Freitag waren Sie entsprechend präpariert – Sie legten ein Buch auf den Tisch, in |288| der Gewißheit, daß Gdlewski sich sofort darauf stürzen würde, um sein Schicksal zu befragen. Ich habe mir dieses Buch gemerkt und es bei der ersten Gelegenheit in Augenschein genommen.« Gendsi drehte sich zu mir um. »Horatio, gehen Sie bitte in den Salon, wenn es Ihnen keine Mühe macht, und holen Sie aus dem dritten Regal das Werk des Grafen Branizki ›Über irdische und himmlische Sphären‹.«
    Unverzüglich kam ich seiner Bitte nach. Ich fand das Buch auf Anhieb, nahm es aus dem Regal und ächzte auf. Es war derselbe Band, den Cyrano am letzten Abend seines Lebens betrachtet hatte!
    Beim Zurückgehen betrachtete ich das Buch von allen Seiten, bemerkte aber nichts Verdächtiges. Leider hat mich die Natur nicht mit guter Beobachtungsgabe gesegnet. Davon konnte ich mich ein übriges Mal überzeugen, als Gendsi das Buch entgegennahm und sagte: »Schauen Sie sich den Schnitt an. Sehen Sie

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