Magier von Moskau
Schwur nicht vergessen.«
Sie hatte tatsächlich Angst bekommen. Nicht vor dem Tode natürlich, sondern davor, daß Petja sie nun vielleicht nicht mehr mitnehmen würde. Da fiel ihr im richtigen Moment die Reklametafel der Gesellschaft »Möbius« ein.
»Mit dir habe ich nichts zu fürchten«, sagte sie, und Petja strahlte.
Er drückte sanft ihre Hand. Da erfaßte Colombina ein untrügliches Vorgefühl: Heute würde
es
geschehen. Sie erwiderte seinen Händedruck. So fuhren sie Hand in Hand über Plätze, Straßen, Boulevards. Nach einiger Zeit begannen die Hände zu schwitzen, und Colombina, die dieses natürliche |37| Phänomen vulgär fand, entzog ihm ihre Hand. Aber Petja hatte schon Mut gefaßt. Selbstbewußt legte er ihr den Arm um die Schulter. Und streichelte ihren Hals.
»Ein Halsschmuck aus Schlangenhaut?« flüsterte er ihr ins Ohr. »Schick.«
Plötzlich schrie er leise auf.
Colombina wandte sich ihm zu und sah, wie sich seine Pupillen weiteten.
»Da … da …«, stammelte er, außerstande, sich zu rühren. »Was ist das?«
»Eine ägyptische Kobra«, erklärte sie. »Eine lebendige. Weißt du, mit solch einer hat Kleopatra sich umgebracht.«
Er zuckte zusammen, drückte sich ans Fenster, nahm die Hände vor die Brust.
»Keine Bange«, sagte Colombina. »Luzifer beißt meine Freunde nicht.«
Petja, die Augen auf den beweglichen schwarzen Halsschmuck gerichtet, nickte, hielt aber Abstand.
In einer steil aufwärts führenden grünen Straße, die Petja als Roshdestwenski-Boulevard bezeichnete, stiegen sie aus und bogen in eine Seitengasse ein.
Es ging schon auf zehn, die Dunkelheit brach an, die Laternen flammten auf.
»Das da ist Prosperos Haus«, sagte Petja leise und zeigte auf eine eingeschossige Villa.
Colombina sah in der Dunkelheit eigentlich nur sechs mit Stores verhängte Fenster, die von innen einen geheimnisvollen rötlichen Schein verbreiteten.
»Warum bleibst du denn stehen?« drängte Petja seine Begleiterin. »Punkt zehn fängt es an, wir sind schon spät dran.«
In diesem Moment packte Colombina der unbezwingliche Wunsch, umzukehren, aus Leibeskräften zurück zum |38| Boulevard zu rennen, dann hinunter auf den dämmerigen großen Platz und weiter, weiter. Nicht in ihre kleine Wohnung, zum Teufel mit ihr, sondern spornstreichs zum Bahnhof und in den Zug. Dann würden die Räder rollen, der Faden würde zurückgespult, und alles würde sein wie zuvor …
»Du bist stehengeblieben«, sagte sie ärgerlich. »Los, bring mich zu deinen ›Liebhabern‹.«
Colombina hört Geisterstimmen
Petja öffnete, ohne anzuklopfen, die Eingangstür und erklärte:
»Prospero mag keine Dienerschaft. Er macht alles selber, eine Gewohnheit aus der Verbannung.«
In der Diele war es stockdunkel, und Colombina konnte nichts erkennen außer einer weißen Tür. Dahinter lag ein geräumiger Salon, der ein wenig heller war. Lampen brannten dort nicht, nur ein paar Kerzen auf dem Tisch, und etwas abseits stand ein eisernes Kohlenbecken mit rot glimmenden Kohlen. An den Wänden schwankten schiefe Schatten, in Regalen blinkten goldgeprägte Buchrücken, und an der Decke flimmerte ein nicht angezündeter Kristalllüster.
Als Colombinas Augen sich ein wenig an das matte Licht gewöhnt hatten, erkannte sie, daß etliche Menschen in dem Raum waren, an die zehn wohl, vielleicht auch mehr.
Petja Lilejko schien unter den »Anwärtern« als kleiner Fisch zu gelten. Auf seinen zaghaften Gruß nickte nur einer, die anderen setzten ihr leises Geplauder fort. Der kalte Empfang irritierte Colombina, und sie beschloß, sich selbständig zu bewegen. Sie trat zum Tisch, zündete an |39| einer Kerze eine Papirossa an und fragte ihren Begleiter so laut, daß es durchs Zimmer schallte: »Nun, wer hier ist Prospero?«
Petja zog den Kopf zwischen die Schultern. Es wurde sehr still. Colombina sah aller Augen neugierig auf sich gerichtet, da verging ihr jede Angst, sie stemmte die Hand in die Hüfte wie auf der Reklame für die Papirossa »Carmen« und blies einen blauen Strahl Rauch nach oben.
»Aber, aber, meine Unbekannte«, sagte ein etwas aufgeschwemmter Herr in rohseidenem Jackett, dessen kahler Scheitel virtuos überkämmt war. »Der Doge kommt später, wenn alles bereit ist.«
Er trat näher, blieb zwei Schritte vor Colombina stehen und musterte sie unverfroren von Kopf bis Fuß. Sie antwortete mit einem gleichen Blick.
»Das ist Colombina, ich habe sie als Kandidatin mitgebracht«, bemerkte Petja
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