Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
Augen wurden groß. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Einer von ihnen war tatsächlich …
»Jonathan!«, kreischte eine schrille Stimme über ihren Köpfen.
Holmes blickte auf. »Wie viele bizarre Schergen hatte Wellington eigentlich?«, beschwerte er sich.
Ein Wesen mit grauer Haut, schwarzen, lederartigen Schwingen und den zerfetzten Überresten eines hellen Gewands landete direkt vor ihnen auf der Straße. Das Geschöpf, das nur eine Laune der Magie sein konnte, blickte ihnen aus dunkel glänzenden Augen und mit vor Hass verzerrter Miene entgegen. »Endlich habe ich dich!«, fauchte es.
»Sie kommen reichlich spät, Madame; die Schlacht ist bereits geschlagen«, informierte Holmes das Wesen, und jetzt erkannte auch Jonathan, dass es sich wohl mal um eine Frau gehandelt haben musste, bevor ein magischer Unfall sie zur Dämonin gemacht hatte.
»Das ist mir gleichgültig«, entgegnete sie. »Für Rache ist es nie zu spät.« Aus dem Stand heraus und völlig überraschend machte sie einen eindrucksvollen Satz und riss Jonathan schwungvoll zu Boden. Ihre messerscharfen Klauen legten sich um seine Kehle. »Keine Bewegung!«, warnte sie Randolph, Holmes und Kendra, die Anstalten machten, zum Angriff überzugehen. »Oder ich bringe ihn um.« Drohend breitete sie die Flügel aus. »Zurück! Treten Sie zurück!«
»Die Insel versinkt, und unser Boot wartet nicht ewig! Könnten Sie Ihren Zwist mit Jonathan, worin immer der bestehen mag, nicht später klären?«, beschwor Holmes sie händeringend. »Der Junge ist den Ärger doch nicht wert.«
Die Dämonin richtete ihren Blick auf Jonathan, der stocksteif auf der bebenden Erde lag und betete, dass nicht irgendein besonders heftiger Stoß ihm die Kehle aufschnitt. »Das dachte er wohl auch, als er mich sterben ließ«, zischte sie.
Die Worte hallten in Jonathans Geist wider, und auf einmal überkam ihn eine grauenhafte Erkenntnis. »Elisabeth?«, hauchte er vollkommen ungläubig. »Bist du das?«
Kendra schlug die Hand vor den Mund. »Oh, heiliger Andreas.«
»Elisabeth?«, echote Holmes. »Die Elisabeth aus dem Savoy Hotel?«
»Ja«, bestätigte die Dämonin. »Dieses Leben hatte ich einmal. Aber es wurde mir geraubt. Von ihm.« Zornig bleckte sie ihr Furcht einflößendes Raubtiergebiss.
»Elisabeth, nein«, stammelte Jonathan. »Das ist nicht wahr. Ich habe dich geliebt. Ich habe dich wirklich geliebt. Dass du in all dies hineingezogen wurdest, habe ich nicht gewollt. Glaub mir, es tut mir leid. Es tut mir schrecklich leid.« Er wollte eine Hand heben, um sie an die eingefallene, von schwarzen Adern durchzogene Wange der Dämonin zu legen, aber sie fauchte nur und verstärkte den Griff um seinen Hals.
»Warum hast du mich dann diesem Mörder ausgeliefert, Jonathan? Warum warst du nicht da, als ich dich brauchte? Du hättest diesem Monster nur den Ring aushändigen müssen, und alles wäre gut gewesen.«
»Ich konnte es nicht!«, rief er verzweifelt. Das Beben und Poltern schien ihm auf einmal unendlich fern zu sein. Es gab nur noch ihn und dieses grausig entstellte Geschöpf, das einst Elisabeth gewesen war. Tränen traten in seine Augenwinkel. »Ich konnte dem Franzosen den Ring nicht geben. Ich stand vor der Wahl, dein Leben gegen das von womöglich Millionen einzutauschen. Hätte er den Ring bekommen, hätte er ihn vernichtet, und ich hätte die Wahre Quelle der Magie nicht mehr schließen können. Die Quelle hätte die Erde zerstört … Sie hätte dich und mich und alle, die uns teuer sind, ins Unglück gestürzt. Also, was hätte ich denn tun sollen? Hätte ich mein Leben geben können, um deines zu retten, ich hätte es getan. Aber die Zukunft der ganzen Menschheit durfte ich nicht verspielen. Verzeih mir, Elisabeth.«
Jonathan merkte, dass seine Worte irgendetwas tief im Inneren des hasserfüllten Geschöpfes ansprachen. In dem grauen Gesicht, das früher sein Herz zum Klopfen gebracht hatte, arbeitete es, und ein Widerstreit der Gefühle ließ den Zorn in ihren nachtschwarzen Augen flackern.
»Elisabeth, ich habe dich geliebt«, wiederholte Jonathan mit eindringlicher Stimme. »Töte mich, wenn du mir nicht glaubst. Töte mich, wenn Zorn das einzige Gefühl ist, das du noch in dir spürst. Ich kann nichts von dem, was geschehen ist, rückgängig machen. Ich kann dir nur sagen: Ich habe dich geliebt, und dein Tod war das schlimmste Opfer, das mir die Rettung der Menschheit abfordern konnte. Und ganz gleich, welche inneren Stimmen dir anderes
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