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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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eine Eisenstange gegen das Gestänge sausen lassen. Funken stoben in alle Richtungen, brannten sich in ihre Haut und ihre Haare. Sie unterdrückte einen Schrei, während sie versuchte, die winzigen glühenden Metallsplitter abzuschütteln. Irgendwo von der linken Seite ertönte ein Knall, der über die Hügel hallte. Dann geriet sie ins Rutschen. Der Länge nach stürzte sie auf das perforierte Stahlblech. Sie konnte es nicht verhindern. Der Schmerz zuckte wie Feuer durch ihre Hände und Knie. In diesem Moment vernahm sie ein dumpfes Schwirren ganz nah an ihrem Kopf. Sie glaubte sogar einen heißen Lufthauch zu spüren.
    »Verdammt«, fluchte sie, »was war das denn …?« Und dann hörte sie den zweiten Knall.
    Da schoss doch jemand. Zufall oder Attentat? Die junge Astrophysikerin schien dasselbe zu denken. Mit einer einzigen schnellen Bewegung ergriff sie Ellas Arm und zog sie auf die Füße und zu sich hinter die schützende Stahlwand des Primärfokus. In ihren Augen flackerte Angst, während sie die Tür aufhielt und Ella mit einem kräftigen Schubs ins Innere beförderte. In diesem Moment schien die Hölle loszubrechen. Ohrenbetäubende Schläge hallten durch die metallene Gondel. Aktenordner flogen durch die Luft, Glas zersplitterte und weitere Funken regneten auf die hilflosen Frauen herab. Jan schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Mit Schrecken sah Ella, wie sich vor ihren Augen ein Loch in der Wand auftat, dicht gefolgt von einem Scheppern. Es gab ein infernalisches Sirren, dann fiel ein Gegenstand neben ihr zu Boden. Ein kleines deformiertes Stück Metall. Ella hob es auf und ließ es mit einem Schrei wieder fallen. Es war heiß. Eine Kugel. In diesem Moment ging das Licht aus. Der Schaltkasten gab ein letztes Knistern und einen letzten Funkenregen von sich, dann war es still.
     
    Der Scharfschütze ließ die Waffe sinken. Verflucht noch mal. Die Frau hatte ein unverschämtes Glück. Wie hatte er die Querverstrebung übersehen können? Und dann war sie auch noch hingefallen, just in dem Moment, als er den zweiten Schuss abgefeuert hatte. Noch einmal fluchte Jankovic. Solch eine unglückliche Verkettung von Zufällen hatte er in seiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt. Da half es auch nicht, dass er die verdammte Kanzel mit Streufeuer eingedeckt hatte. Klar, die Kugeln waren wie Butter durch das Metall gegangen, aber ob er etwas getroffen hatte, das wusste er nicht. Selbst wenn er den Primärfokus mit weiteren zwanzig Magazinen zersieben würde, es blieb immer noch die Ungewissheit, ob die beiden Frauen auch wirklich tot waren. Die Chancen standen gut, aber er konnte sich nicht auf Vermutungen verlassen. Er musste sich Gewissheit verschaffen. Mit einer einzigen fließenden Bewegung riss er seine Glock 17 aus dem Holster, prüfte, ob er genügend Ersatzmagazine bei sich hatte, zog sich seine Wollmaske über den Kopf und rannte den Hügel hinunter.
     
    Marten Enders hatte gerade den Fuß der Treppe erreicht, als er die beiden Schüsse hörte. Zuerst glaubte er, dass sich wieder mal ein Jäger trotz der Warn- und Verbotsschilder in den angrenzenden Wald verirrt hatte. Das war während seiner Laufbahn schon zweimal geschehen, und jedes Mal war es zu einem Prozess gekommen, mit dem Effekt, dass dem betroffenen Jäger für ein Jahr seine Jagdlizenz entzogen wurde. Als Leiter der Teleskopanlage war Enders in dieser Hinsicht rigoros. Nicht nur gefährdete ein solcher Leichtsinn das Leben vieler Menschen, auch die Anlage stand unter besonderem Schutz. Immerhin waren hier Millionenwerte versammelt, für die er die Verantwortung trug. Er konnte nicht zulassen, dass ein nach Schlehenbrand stinkender Waffenfanatiker hier alles kurz und klein ballerte.
    Als der erste Knall über die Wipfel der Bäume peitschte, war er wie angewurzelt stehen geblieben. Das klang aber verdammt nah. Der Schütze konnte nicht mehr als hundert Meter entfernt sein. Als dann der zweite Schuss ertönte, war Enders sich sicher, aus welcher Richtung geschossen worden war. Mit energischen Schritten wandte er sich nach Osten. Irgendwie schien sich heute alles gegen ihn verschworen zu haben. Erst das schreckliche Wetter, dann diese aufdringliche Geologin und jetzt auch noch ein Jäger. Na warte, dem würde er gehörig die Meinung sagen. Schäumend vor Wut verließ er den Schienenkreis und zog sein Handy. Die Nummer des Sicherheitsdienstes eintippend, wandte er sich einer Stelle zu, an der einige gelbe Container standen. Vielleicht konnte er besser

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