Magna Mater - Roman
Männer.
So wie in christlicher Zeitrechnung alle spirituelle Macht in den Händen von männlichen Priestern lag, so sind wir im Orden alle weiblichen Geschlechts, und das im wirklichen Sinne des Wortes, denn im Gegensatz zu den Blühenden haben wir unsere natürliche Geschlechtlichkeit ja nicht abgelegt.
Das sollte ich schon bald am eigenen Leib erfahren. Ich weiß noch, wie entsetzt ich war, als ich bemerkte, dass mir Schamhaare wuchsen. Was hatte das zu bedeuten? Verwandelte ich mich in ein Tier? Ich hatte nie zuvor dergleichen bei anderen gesehen, und ich hatte oft Gelegenheit gehabt, Blühende jeden Alters beim Baden zu beobachten.
Von einer anderen jungen Novizin erfuhr ich, dass ihr Haare in den Achselhöhlen wuchsen. Ob alle Ordensfrauen behaarte Leiber hatten? Ich weiß noch, wie belustigend wir die Vorstellung fanden, die alten Ordensfrauen trügen ein Affenfell um ihre Scham. Wir hatten keine Gelegenheit, das herauszufinden, denn im Gegensatz zu den Blühenden, die bei jeder Gelegenheit ihre jungen Leiber zur Schau stellen, verhüllen die Reifen ihren alternden Körper unter dunklem Tuch. Und das mussten auch wir tun, obwohl wir noch so jung waren. Trotz unserer kahl geschorenen Köpfe erlebten wir uns unter unseren Ordensgewändern durchaus noch nicht als Reife, sondern als Blühende, und das war kein beglückendes Gefühl, denn als Unreife unter Reifen fühlte ich mich wie eine Kaulquappe unter Fröschen. Die Verwandlung, die meinem Leib widerfuhr, erfüllte mich anfangs mit Angst, später mit Erstaunen, aber schon bald mit Lust.
Es geschah, als ich neugierig meine heranreifenden Brüste betastete. Wann immer meine Finger die Spitzen streiften, erhoben sie sich dunkel und hartfleischig wie Hahnenkämme und ließen mich lustvoll erschauern. Beim Auszupfen von Härchen bemerkte ich den warzenartigen Knubbel am oberen Rand meiner Scheide. Er war wohl schon immer dort, aber ich habe ihn nicht zur Kenntnis genommen. Jetzt begann ich damit zu spielen und konnte nicht mehr aufhören.
Ich entdeckte in mir eine fast ekstatische Lebendigkeit, sinnliche Lebensfreude bis unter die Haut, in jedem Atemzug bis in die Spitzen meiner Brüste. Dabei habe ich mich zum ersten Mal verliebt, verliebt in mich selbst.
So begann eine aufregende Entdeckungsreise. Und es war nicht nur die Lust, die ich mir selbst zufügte, nicht das Spiel der Finger und das Reiben der Schenkel. Die alltäglichsten Dinge erschienen mir mit einem Mal in erotisierendem Licht. Wenn ich jetzt den nackten Blühenden beim Ballspiel zuschaute, so empfand ich mehr als nur Freude an ihren vollendet schönen Körpern. Ich erlebte am eigenen Leib, welche beseligende Magie von der Sexualität ausgeht. Und wie richtig es war, sie wie eine gefährliche Droge nicht allen zugänglich zu machen. Dabei schloss ich mich als Ordensfrau natürlich aus. Ich genoss dieses erotische Vorrecht, das mir ganz allein gehörte, denn die Blühenden erleben es erst sterbend, und die Mehrzahl der Ordensfrauen erschien mir damals so saftlos wie alte Bäume. Unvorstellbar, dass diese alten Jungfern fähig sein könnten, meine sexuellen Höhenflüge in ihren faltigen Leibern zu erfahren.
So oder ähnlich habe ich wohl damals gedacht.
Ich versuche mich zu erinnern, aber man vergisst so schnell. Dabei ist es durchaus nicht so, dass die Vergangenheit im Alter verblasst. Das Gegenteil ist vielmehr richtig: Im Alter wird die Gegenwart von der Vergangenheit verdrängt. Würde ich sonst die kostbare Lebenszeit, die mir noch bleibt, mit einer Lebensbeichte vergeuden?
5. KAPITEL
F ahles Morgenlicht tropfte durch dunkle Wolken, als Mater Metula mich in ihr Haus holte. Langsam, fast schrittweise quälte sich der Wagen über holprige Wege. Das Schnaufen der Esel mischte sich mit dem Knarren der Räder und dem Geschrei der Möwen. Ich kauerte neben Mater Metula und hatte ausgiebig Gelegenheit, sie aus der Nähe zu betrachten. Sie hatte sich seit unserer ersten Begegnung verändert. Sie war dick geworden, etwas zu dick für eine Ordensfrau. Sie bewegte sich behäbig, hatte braunfleckige Hände und sprach mit lauter Stimme, was ich anfangs für ein Zeichen von Tatkraft hielt, was sich aber später als Schwerhörigkeit herausstellte. Vor allem aber war sie alt, alt wie ihre steinerne Behausung.
Die Häuser der Ordensfrauen liegen am Fuß eines dicht bewaldeten Bergrückens. Ein gewundener Pfad verbindet die weit auseinanderliegenden Hütten miteinander. Auf den Dächern wächst Moos,
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