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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ein Hemd mit offenem Kragen und ein sonnenverbranntes Gesicht. Maigret hatte ihn nicht gleich erkannt, denn er erinnerte sich mehr an seinen Namen als an sein Äußeres. Lechat, der sich zwischen den Gepäckträgern hindurchzwängte, sah fast wie ein Junge aus. Er war klein und mager, ohne Kopfbedeckung, und seine Füße steckten in Sandalen.
    »Kommen Sie hier durch, Chef!«
    War das ein Pluspunkt? Denn wenn dieser Teufel von Mr. Pyke alles in seinem Kopf registrierte, konnte man nicht wissen, was er in die Kolonne für die guten und was er in die für die schlechten Vermerke eintrug. Nach den Vorschriften hätte Lechat Maigret mit Herr Kommissar anreden müssen, denn er gehörte nicht zu seiner Abteilung. Aber es gab wenige Kriminalbeamte in Frankreich, die dem Vergnügen widerstehen konnten, ihn mit herzlicher Vertraulichkeit Chef zu nennen.
    »Mr. Pyke, Sie kennen Inspektor Lechat ja bereits. Lechat, ich stelle Ihnen Mr. Pyke von Scotland Yard vor.«
    »Haben die auch mit der Sache zu tun?«
    Lechat lebte und webte nur noch in seiner Marcellin-Geschichte, so daß es ihn keineswegs überraschte, sie sich zu einer internationalen Affäre ausweiten zu sehen.
    »Mr. Pyke ist auf einer Studienreise in Frankreich.«
    Während man sich durch die Menge drängte, fragte sich Maigret, wieso Lechat, während er sich vorwärts schob, immer so merkwürdig zur Seite schielte, ja sich geradezu den Hals verrenkte.
    »Wir wollen schnell machen«, sagte er. »Mein Wagen steht vor der Tür.«
    Es war das kleine Dienstauto. Erst als sie im Wagen saßen, seufzte der Inspektor: »Ich glaube, Sie müssen sehr vorsichtig sein. Alle sind der Meinung, daß sie es auf Sie abgesehen haben.«
    So war es also Maigret gewesen, den der kleine Lechat eben in der Menge hatte schützen wollen!
    »Soll ich Sie gleich zur Insel fahren? Haben Sie in Hyères nichts zu tun?«
    Und so fuhren sie los. Die Gegend war flach und öde, die Straße von Tamarindenbäumen, zwischen denen hier und dort eine Palme aufragte, umsäumt. Rechts tauchten dann weiße Salzflächen auf. Es war alles so anders und fremd, als befände man sich plötzlich in Afrika. Der Himmel war von einem glasklaren Blau, und nirgends regte sich auch nur ein Hauch.
    »Mistral?« fragte Maigret mit leiser Ironie.
    »Er hat gestern abend plötzlich aufgehört. Das war auch Zeit. Neun Tage lang hat er getobt. Und das reicht, um alle verrückt zu machen.«
    Maigret war skeptisch. Die Leute im Norden – und der Norden beginnt in der Gegend von Lyon – haben den Mistral nie ernst genommen. Es war also nur verständlich, daß Mr. Pyke sich ebenfalls gleichgültig zeigte.
    »Niemand hat die Insel verlassen. Sie können alle verhören, die dort waren, als Marcellin ermordet worden ist. Die Fischer waren wegen des Sturms in jener Nacht nicht auf dem Meer, aber ein Torpedoboot und mehrere Unterseeboote machten eine Übung auf der Reede vor der Insel. Ich habe mit der Admiralität telefoniert, und man hat mir dort bestätigt, daß kein Boot ausgefahren ist.«
    »Das heißt also, daß der Mörder sich noch immer auf der Insel befindet?«
    »Sie werden es sehen!«
    Lechat spielte den Erfahrenen, der Land und Leute kennt. Maigret war der ›Neue‹, was immer eine ziemlich mißliche Rolle ist. Nach einer halben Stunde hielt das Auto an einer Felsenspitze, auf der man nur ein Gasthaus im provenzalischen Stil und ein paar rosa und hellblau angestrichene Fischerhäuschen sah.
    Ein Punkt für Frankreich, denn der Mund blieb einem vor Begeisterung offenstehen. Das Meer war von einem unglaublichen Blau, so wie man es sonst nur auf Postkarten sieht, und in der Ferne am Horizont lag träge eine Insel inmitten der schillernden Wogen mit leuchtendgrünen Hügeln und roten und gelben Felsen.
    Am Ende des hölzernen Landungsstegs wartete ein hellgrün gestrichenes Fischerboot, um das sich rings eine weiße Leiste zog.
    »Das ist für uns. Ich habe Gabriel gebeten, mich herzubringen und auf Sie zu warten. Das Schiff, das hier sonst verkehrt, die ›Cormoran‹, kommt nur um acht Uhr morgens und um fünf Uhr nachmittags. Gabriel ist ein Galli. Ich will Ihnen das gleich erklären. Es gibt dort die Gallis und die Morins, fast alle auf der Insel gehören zu einer dieser beiden Familien.«
    Lechat trug die Koffer, die in seinen Händen riesengroß wirkten. Der Motor lief schon. All das hatte etwas Unwirkliches, und man konnte sich kaum vorstellen, daß man nur hier war, um einen Mord aufzuklären.
    »Die Leiche

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