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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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fänden wir sie womöglich in kleine Stücke zerhackt wieder. Bleibst du bei ihnen, Lechat?«
    Lechat setzte sich an den Tisch, stemmte die beiden Ellbogen auf die Platte und goß sich dann an Stelle eines Aperitifs oder Weißweins ein Glas Bier ein.
    Maigret und sein englischer Kollege gingen in die jetzt noch heißer brennende Sonne hinaus und machten ein paar Schritte, ohne etwas zu sagen.
    »Sind Sie enttäuscht, Mr. Pyke?« fragte der Kommissar schließlich mit einem verstohlenen Blick.
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Sie sind nach Frankreich gekommen, um unsere Methoden kennenzulernen, und müssen nun feststellen, daß wir keine haben. Moricourt wird aussagen. Ich hätte ihn sofort zum Sprechen bringen können.«
    »Mit der bereits von Ihnen erwähnten Methode?«
    »Mit der oder einer anderen. Es ist übrigens gleichgültig, ob er etwas sagt oder nicht. Er wird es doch widerrufen. Er wird von neuem gestehen und von neuem alles zurücknehmen. Sie werden es erleben, daß die Geschworenen schließlich überhaupt nicht mehr wissen, woran sie sind. Die beiden Verteidiger werden sich wie Hund und Katze streiten. Jeder wird seinen Klienten reinzuwaschen versuchen, indem er dem Klienten des anderen die ganze Schuld zuschiebt.«
    Sie brauchten sich nicht erst auf die Zehenspitzen zu stellen, um durch das Fenster der Bürgermeisterei die beiden jungen Leute auf ihren Stühlen sitzen zu sehen. Auf der Terrasse der ›Arche‹ saß Chariot beim Mittagessen. Zu seiner Rechten saß seine Freundin, zu seiner Linken Ginette, die dem Kommissar von fern ein Zeichen zu machen schien, daß sie Chariots Einladung nicht hätte ablehnen können.
    »Es ist viel angenehmer, wenn man es mit Berufsverbrechern zu tun hat.«
    Vielleicht dachte Maigret dabei an Chariot.
    »Aber die morden selten. Zu den wirklichen Verbrechen kommt es ein wenig durch Zufall. Die Burschen da drüben haben im Anfang nur gespielt, ohne sich klarzumachen, wohin sie das führte. Es hatte fast etwas von einer guten Posse. Einer millionenschweren alten Närrin mit berühmten Namen signierte Bilder andrehen! Und da taucht dieser Marcellin im unpassendsten Augenblick auf dem Schiff auf.«
    »Bedauern Sie ihn?«
    Maigret gab keine Antwort, sondern zuckte nur die Schultern.
    »Sie werden sehen, die Psychiater werden sich darüber in die Haare kriegen, wer von den beiden mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.«
    Mr. Pyke, der wegen der Sonne die Augen halb zukniff, blickte seinen Kollegen lange an, als ob er seine innersten Gedanken zu erraten versuchte. Dann sagte er nur:
    »Ach.«
    Der Kommissar fragte ihn nicht, wie er das meinte, sondern sprach von etwas anderem:
    »Lieben Sie das Mittelmeer, Mr. Pyke?«
    Und da Mr. Pyke mit der Antwort zögerte, fuhr er fort:
    »Ich glaube, die Luft hier bekommt mir nicht. Nun wir können bestimmt schon heute abend wieder abreisen.«
    Der weiße Glockenturm schmiegte sich in das tiefe und zugleich durchsichtige Blau des Himmels.
    Der Bürgermeister spähte beunruhigt durch das Fenster in die Bürgermeisterei hinein.
    Was machte Chariot? Man sah ihn vom Tisch aufstehen und eilig zum Hafen gehen. Maigret blickte ihm eine Sekunde mit gerunzelten Brauen nach und murmelte:
    »Wenn nur nicht …«
    Er stürzte in die gleiche Richtung, und Mr. Pyke, der das nicht begriff, folgte ihm.
    Als sie am Landungssteg ankamen, war Chariot schon auf Deck der kleinen Jacht, die den seltsamen Namen ›Liebesblume‹ hatte. Er beugte sich einen Augenblick über das Bullauge, um hineinzusehen, verschwand dann und kam gleich darauf, etwas in den Armen tragend, wieder auf Deck.
    Als die beiden Männer das Schiff betraten, lag Anna lang ausgestreckt auf dem Boden, und Chariot riß ihr ohne jede Scham ihren Pareo ab, so daß ihre nackte Brust sichtbar wurde.
    »Daran hatten Sie wohl nicht gedacht?« sagte er bitter.
    »Veronal?«
    »Auf dem Fußboden in der Kajüte lag eine leere Glasröhre.«
    Erst waren es fünf, dann zehn und schließlich eine ganze Menschenmenge, die um Mademoiselle Bebelmans herumstand. Der Arzt von der Insel kam keuchend angerannt und sagte mit zu Tode betrübter Stimme:
    »Ich habe für alle Fälle ein Brechmittel mitgebracht.«
    Mrs. Wilcox stand mit einem ihrer Matrosen auf dem Deck ihrer Jacht, und sie blickten abwechselnd durch ein Fernglas.
    »Da haben Sie’s, Mr. Pyke, ich mache auch Fehler. Es ist ihr klargeworden, daß van Greef nur ihre Aussage zu fürchten hatte, und sie hat Angst gehabt, etwas zu

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