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Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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verhaften?«
    »Und wenn ich Sie fragen würde, welchen Grund Sie gehabt haben zuzustechen?«
    Jetzt trat eine äußerst beunruhigende Pause ein, und der Kommissar fragte sich, ob er nicht zu weit gegangen war.
    »Sind Sie noch da?«, fragte er.
    »Ja …«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich zu direkt war. Aber man muss die Dinge sehen, wie sie sind.«
    »Ich weiß … Ich will das auch tun, glauben Sie mir … Sie denken vielleicht, ich schreibe an die Zeitungen und rufe Sie an, weil ich über mich selbst sprechen will … In Wirklichkeit tue ich es, weil alles so falsch ist!«
    »Was ist falsch?«
    »Was die Leute denken … Die Fragen, die man mir stellen wird, wenn ich eines Tages vor Gericht stehe … Das Plädoyer des Staatsanwalts … Sogar das Plädoyer meines Verteidigers, das vielleicht sogar noch mehr …«
    »Denken Sie schon so weit voraus?«
    »Ich muss wohl …«
    »Haben Sie vor, sich zu stellen?«
    »Sie sind überzeugt, dass ich es bald tun werde, nicht wahr?«
    »Ja …«
    »Glauben Sie, dass es mir danach bessergehen wird?«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    »Man wird mich in eine Zelle einsperren und behandeln wie einen …«
    Er sprach den Satz nicht zu Ende, und Maigret wollte nichts darauf sagen.
    »Ich möchte Sie nicht länger aufhalten. Ihre Frau wartet sicher auf Sie …«
    »Sie wird bestimmt nicht ungeduldig. Sie kennt das.«
    Wieder eine Pause. Es war, als könnte er sich nicht entschließen, den Faden zu durchtrennen, der ihn mit einem anderen Menschen verband.
    »Sind Sie glücklich?«, fragte er schüchtern, als würde ihn diese Frage außerordentlich beschäftigen.
    »Einigermaßen … Das heißt, so glücklich man eben sein kann …«
    »Seit meinem vierzehnten Lebensjahr bin ich nie glücklich gewesen, nicht einen Tag, nicht eine Stunde, nicht eine Minute …«
    Dann wechselte er unvermittelt den Ton.
    »Danke.«
    Und legte auf.
    Am Nachmittag musste der Kommissar zum Untersuchungsrichter.
    »Kommen Sie voran mit Ihren Ermittlungen?«, fragte Poiret mit dem Anflug von Ungeduld, der allen Untersuchungsrichtern eigen ist.
    »Sie sind praktisch abgeschlossen.«
    »Das heißt, Sie wissen, wer der Mörder ist?«
    »Er hat mich heute Mittag wieder angerufen.«
    »Wer ist es?«
    Maigret zog ein Foto aus der Tasche, das in der Vergrößerung einen Kopf aus jener Menschenmenge zeigte, die am Quai d’Anjou in der Morgensonne gestanden hatte.
    »Dieser junge Mann ist es?«
    »So jung ist er nicht. Er ist um die dreißig.«
    »Haben Sie ihn festgenommen?«
    »Noch nicht.«
    »Wo wohnt er?«
    »Ich weiß weder seinen Namen noch seine Adresse … Würde ich dieses Foto an die Zeitungen geben, würden ihn die Leute, die ihn täglich sehen, seine Arbeitskollegen, seine Concierge und wer auch immer, erkennen und mich anrufen …«
    »Und warum tun Sie es nicht?«
    »Das ist die Frage, die ihn ebenfalls quält und die er mir heute Mittag zum zweiten Mal gestellt hat …«
    »Hatte er Sie schon vorher angerufen?«
    »Ja, am Samstag …«
    »Sind Sie sich bewusst, welche Verantwortung Sie da auf sich nehmen, Kommissar? Eine Verantwortung, die übrigens indirekt auch mich trifft, nachdem ich dieses Foto gesehen habe … Ich mag so was nicht …«
    »Ich auch nicht … Aber wenn ich zu schnell vorgehe, würde er sich wahrscheinlich nicht festnehmen lassen, sondern gleich Schluss machen.«
    »Befürchten Sie, dass er Selbstmord begeht?«
    »Meinen Sie nicht auch, dass er nichts zu verlieren hat?«
    »Es werden jedes Jahr Hunderte von Straftätern gefasst, und nur sehr wenige von ihnen setzen ihrem Leben ein Ende …«
    »Und wenn er einer von der Sorte ist?«
    »Hat er wieder an die Zeitungen geschrieben?«
    »Gestern Abend oder heute Nacht wurde bei einer Zeitung ein Brief eingeworfen …«
    »Eine durchschaubare Masche, wie mir scheint. Wenn ich mich recht erinnere, wurde sie in unseren Kriminologievorlesungen als Hinweis auf eine psychische Abnormität behandelt.«
    »Die Psychiater behaupten das.«
    »Sind Sie anderer Meinung?«
    »Mir fehlt das nötige Wissen, um der These zu widersprechen. Der Unterschied zwischen den Psychiatern und mir ist, dass ich die Leute nicht in Kategorien unterteile …«
    »Kategorien sind aber notwendig …«
    »Notwendig wofür?«
    »Um ein Urteil zu fällen, zum Beispiel.«
    »Es ist nicht meine Aufgabe, Urteile zu fällen …«
    »Man hat mich vorgewarnt, dass ich es mit Ihnen nicht immer leicht haben würde …«
    Der Richter sagte das mit einem freundlichen Lächeln,

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