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Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Armeleutegeruch.
    Doktor Pardons Patienten lebten hier im Viertel, meist in sehr bescheidenen Verhältnissen.
    Die Tür ging auf. Eugénie, das Dienstmädchen, das schon so lange bei den Pardons war, dass es praktisch zur Familie gehörte, meldete einen Besuch:
    »Monsieur, der Italiener ist da.«
    »Welcher Italiener? Pagliati?«
    »Ja … Er ist völlig aus dem Häuschen. Es scheint ein Notfall zu sein.«
    Es war halb elf. Pardon stand auf, öffnete die Tür zum schäbigen Wartezimmer, wo auf einem Tischchen Zeitschriften durcheinanderlagen.
    »Wo fehlt’s denn, Gino?«
    »Es geht nicht um mich, Herr Doktor, auch nicht um meine Frau … Draußen, auf dem Gehsteig, liegt ein Verletzter, wahrscheinlich stirbt er gleich.«
    »Wo?«
    »In der Rue Popincourt, keine hundert Meter von hier.«
    »Haben Sie ihn gefunden?«
    Pardon stand schon in der Diele, schlüpfte in seinen schwarzen Überzieher und griff nach seiner Arzttasche; wie selbstverständlich zog auch Maigret den Mantel an. Der Arzt öffnete die Wohnzimmertür einen Spaltbreit.
    »Wir sind gleich wieder da. Ein Verletzter in der Rue Popincourt …«
    »Nimm den Regenschirm!«
    Er nahm ihn nicht. Er wäre sich lächerlich vorgekommen, unter einem Regenschirm jemanden zu untersuchen, der mitten auf dem Gehsteig bei strömendem Regen im Sterben lag.
    Gino war Neapolitaner. An der Ecke Rue du Chemin Vert und Rue Popincourt hatte er ein Lebensmittelgeschäft. Genau genommen führte seine Frau Lucia den Laden, er selbst stellte im Hinterzimmer frische Nudeln, Ravioli und Tortellini her. Jeder im Viertel kannte das Ehepaar. Gino war wegen seines Blutdrucks bei Doktor Pardon gewesen.
    Der Nudelmacher war ein stämmiger, kleiner Mann, dem man den Bluthochdruck ansah.
    »Wir waren bei meinem Schwager in der Rue de Charonne. Meine Schwägerin erwartet ein Kind, und wir haben damit gerechnet, dass sie jeden Augenblick in die Klinik muss. Wir sind zu Fuß im Regen zurückgekommen, und da habe ich gesehen …«
    Seine Worte verloren sich im Sturm. In den Rinnsteinen flossen regelrechte Bäche, über die man hinwegspringen musste. Die wenigen vorbeifahrenden Autos ließen schmutzige Fontänen meterweit aufspritzen.
    Die Rue Popincourt bot einen ungewohnten Anblick: Kein Mensch ging durch die Straße, und abgesehen von einem kleinen Bistro brannte fast nirgends Licht.
    Etwa fünfzig Meter vom Bistro entfernt stand reglos eine füllige Frau unter einem Regenschirm, an dem der Wind zerrte, und das Licht einer Straßenlaterne fiel auf einen neben ihr am Boden liegenden Körper.
    Das weckte alte Erinnerungen in Maigret. Als er noch ein kleiner Inspektor war, lange bevor er zum Hauptkommissar befördert wurde, war er oft als Erster zur Stelle gewesen, wenn es eine Schlägerei oder Mord und Totschlag gegeben hatte.
    Es war ein junger Mann, vielleicht zwanzig Jahre alt. Er trug eine Wildlederjacke und hatte schulterlanges Haar. Er war vornübergefallen, und seine Jacke war auf dem Rücken mit großen Blutflecken übersät.
    »Haben Sie die Polizei gerufen?«, fragte der Kommissar.
    »Sie sollen einen Krankenwagen schicken«, schaltete sich Pardon ein, der neben dem Verletzten kauerte.
    Der Unbekannte lebte also noch. Maigret ging auf das Licht zu, das er in fünfzig Meter Entfernung sah. Auf dem schwachbeleuchteten Fenster des Bistros stand ›Chez Jules‹. Er stieß die mit einem beigen Vorhang bespannte Glastür auf und betrat einen Raum, in dem es so friedlich zuging, dass es fast unwirklich, fast wie ein Genrebild anmutete.
    Es war ein Bistro wie anno dazumal, mit Sägemehl auf dem Boden, und es roch stark nach Wein und Schnaps. Vier nicht mehr ganz junge Männer, drei von ihnen beleibt und rotgesichtig, saßen beim Kartenspiel.
    »Kann ich mal telefonieren?«
    Die Männer blickten ihm entgeistert nach, als er zum Telefon ging, das neben der Zinntheke und den Flaschenregalen an der Wand hing.
    »Hallo, Kommissariat elf?«
    Dieses befand sich ganz in der Nähe, an der Place Léon Blum, der früheren Place Voltaire.
    »Hier Maigret. In der Rue Popincourt liegt ein Verletzter … Auf Höhe der Rue du Chemin Vert … Schicken Sie einen Krankenwagen.«
    Da kam Leben in die vier Männer, als ob sich auf einem Bild plötzlich die Figuren bewegen würden. Die Karten behielten sie in der Hand.
    »Was ist los?«, fragte der eine, der mit hochgekrempelten Ärmeln dasaß und offenbar der Wirt war. »Wer ist verletzt?«
    »Ein junger Mann …«
    Maigret legte das Telefongeld auf die Theke

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