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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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übrigens ein anstrengendes Leben, mußte mal in Deauville, in Miami oder am Lido, in Paris, Cannes oder Berlin erscheinen, irgendwo auf seine Yacht stoßen, Geschäfte in einer europäischen Hauptstadt abwickeln und Schiedsrichter bei den größten Boxkämpfen in New York oder in Kalifornien spielen.
    Er sah Maigret von oben herab an. Und ohne die Lippen zu bewegen, säuselte er:
    »Sie sind …?«
    »Kommissar Maigret von der Kriminalpolizei.«
    Mortimer runzelte kaum die Brauen und blieb einen Augenblick vorgeneigt, als habe er sich entschlossen, ihm nicht mehr als eine Sekunde zu gewähren.
    »Wissen Sie, daß Sie gerade mit Pietr, dem Letten, zu Abend gegessen haben?«
    »Ist das alles, was Sie mir mitzuteilen haben?«
    Maigret zuckte nicht mit der Wimper. Das waren genau die Worte, die er erwartet hatte.
    Er schob seine Pfeife wieder zwischen die Zähne – denn er hatte geruht, sie herauszunehmen, als er den Milliardär ansprach – und brummte:
    »Das ist alles!«
    Er schien mit sich zufrieden zu sein. Levingston wandte sich eiskalt ab und verschwand im Fahrstuhl.
    Es war kurz nach halb zehn. Das Unterhaltungsorchester, das während des Abendessens gespielt hatte, räumte seinen Platz für die Jazzmusiker. Von draußen kamen Gäste herein.
    Maigret hatte noch nicht gegessen. Ohne Ungeduld zu zeigen, blieb er mitten in der Halle stehen. Der Geschäftsführer warf ihm von weitem immer noch beunruhigte und unfreundliche Blicke zu. Selbst die einfachsten Hotelangestellten setzten eine schroffe Miene auf, wenn sie dicht an ihm vorbeikamen und ihn sogar wie unabsichtlich anrempelten.
    Das Majestic verkraftete ihn nicht. Hartnäckig bildete er einen großen, schwarzen unbeweglichen Fleck in all diesem Goldglanz, unter den Lichtern, im Hin und Her der Abendkleider und Pelzmäntel, der parfümierten und rauschenden Gestalten.
    Mrs. Mortimer trat als erste aus dem Fahrstuhl. Sie hatte die Garderobe gewechselt. Ihre nackten Schultern umhüllte ein mit Hermelin gefüttertes Cape aus Goldlamé.
    Sie schien erstaunt, noch niemanden vorzufinden, und begann auf und ab zu gehen, wozu ihre hohen vergoldeten Absätze den Takt schlugen.
    Plötzlich blieb sie vor der Mahagonitheke stehen, hinter der Angestellte und Dolmetscher standen, und sagte ein paar Worte zu ihnen. Einer der Bediensteten drückte auf einen roten Knopf und nahm einen Telefonhörer ab.
    Er wunderte sich und rief einen Boy, der zum Aufzug stürzte. Mrs. Mortimer war sichtlich beunruhigt. Durch die Glastür konnte man am Straßenrand die weichen Linien einer amerikanischen Limousine erkennen.
    Der Page kehrte zurück und sprach mit dem Angestellten, der sich daraufhin Mrs. Mortimer zuwandte. Sie widersprach. Sie mußte etwas sagen:
    »Das ist unmöglich!«
    Da ging Maigret die Treppe hinauf, blieb vor Zimmer 17 stehen und klopfte an die Tür. Wie er nach dem soeben Erlebten erwartet hatte, erhielt er keine Antwort.
    Er öffnete und fand den Wohnraum leer. Im Schlafzimmer war der Smoking Pietrs, des Letten, nachlässig auf das Bett geworfen. Ein Schrankkoffer stand offen. Die Lackschuhe lagen weit voneinander entfernt auf dem Teppich herum.
    Der Geschäftsführer kam, brummte:
    »Sie sind schon hier? …«
    »Nun? … Abgehauen, was? … Levingston auch! … Stimmt’s?«
    »Allerdings sollte man nichts dramatisieren. Sie sind beide nicht in ihren Zimmern, aber sicher werden wir sie in irgendeiner Ecke des Hotels finden.«
    »Wie viele Ausgänge?«
    »Drei … Den zu den Champs-Elysées … Den zu den Arcades und dann den Dienstboteneingang, Rue de Ponthieu.«
    »Gibt es da einen Portier? … Rufen Sie ihn.«
    Das Telefon läutete. Der Geschäftsführer war wütend. Er regte sich über einen Telefonisten auf, der ihn nicht verstand. Der Blick, mit dem er Maigret festhielt, war nicht gerade wohlwollend.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte er, während er auf den Portier des Personalausgangs wartete, der in einer kleinen verglasten Loge seinen Dienst tat.
    »Nichts, oder fast nichts, wie Sie meinten …«
    »Ich hoffe, es handelt sich nicht um ein … ein …«
    Das Wort Verbrechen, der Alptraum aller Hoteliers der Welt, vom bescheidenen Zimmervermieter bis zu den Geschäftsführern der Palasthotels, war ein zu großer Brocken für ihn.
    »Wir werden ja sehen.«
    Mrs. Mortimer-Levingston erschien und fragte:
    »Nun, und?«
    Der Geschäftsführer verneigte sich, stotterte irgendwas. Am Ende des Korridors tauchte die Gestalt eines kleinen alten Mannes mit

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