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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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aus dem Bademantel und reichte mir 20 Euro. »Hier, alter Freund, trinken Sie mal einen auf mich. Ich denke, wir hätten uns noch viel zu sagen. Hier, mein Kärtchen«, fügte er hinzu. »Besuchen Sie mich mal, wenn Sie wieder draußen sind!«

2
    Am nächsten Vormittag wurde ich aus dem Klinikum entlassen. In der Krankenhausverwaltung hatte ich noch einige Formulare auszufüllen und zu unterschreiben. Da kein Mensch meinen Namen kannte, schlug man mir vor, mit ›Unbekannter‹ oder ›Fremder‹ zu unterzeichnen. Ich entschied mich für ›Fremder‹, weil das kürzer war und mir praktischer erschien. Schließlich stand ich in meinem dunklen Anzug in der Eingangshalle des Krankenhauses, mit ein Paar Schuhen, die mir mein Zimmernachbar Max geschenkt hatte, und 300 Euro Startgeld in der Hosentasche, die ich vom Sozialamt erhalten hatte.
    Wie einsam ich mich in diesem Moment fühlte. Ich sah Besucher mit Blumensträußen durch die Halle hasten, die Schwestern und Pfleger von einer Seite zur anderen huschen, beobachtete einen Patienten, der am Automaten seine Telefonkarte auflud, aber alles war mir fremd, alles schien mich überhaupt nicht zu betreffen, schien so weit weg zu sein, dass ich mich völlig leer und verlassen fühlte, wie ein Sandkorn in der Wüste, wie jemand, den man von seinen Freunden getrennt hat und der nie wieder zu ihnen zurückfinden wird.
    Unschlüssig verließ ich das Krankenhaus. Ein trüber Nieselregen hinterließ winzige Wasserperlen auf meinem Anzug, aber da ich keinen Schirm besaß, ließ sich das nicht vermeiden. Beim Besucherparkplatz fragte ich einen älteren Herrn nach dem Bus in die Stadt.
    »Wenn Sie wollen, nehme ich Sie im Auto mit«, bot er freundlich an, was mir natürlich sehr recht war.
    Das Aschaffenburger Klinikum lag oberhalb der Stadt im Grünen, weshalb sich die Straße zunächst bergab durch ein Waldstück schlängelte.
    »Wo soll ich Sie denn absetzen?«, fragte mich der ältere Herr, der seine Frau im Krankenhaus besucht hatte.
    »Wo es Ihnen am besten passt«, antwortete ich, »es ist nicht so wichtig.«
    »Irgendein Ziel müssen Sie doch haben?«, wunderte er sich.
    »Ich kenne Aschaffenburg nicht. Wollte einfach mal einen Rundgang unternehmen«, erklärte ich ihm. »Wissen Sie, ich wäre fast im Main ertrunken. Vielleicht haben Sie es in der Zeitung gelesen. Und jetzt fahre ich zum ersten Mal in diese Stadt.«
    »Ja, dann …«, sagte der ältere Herr, »… dann fahre ich Sie am besten zum Schloss. Von dort aus können Sie sich alles ansehen.«
    Etwa zehn Minuten später ließ er mich vor dem Aschaffenburger Schloss aussteigen. Ich betrat die steinerne Brücke vor dem Haupteingang. Die mächtigen hölzernen Flügel am Eingangstor wirkten wehrhaft und abweisend. Der linke Flügel war geschlossen und zeigte seine prachtvollen Ornamente, während der rechte Flügel mich in den Schlosshof passieren ließ.
    Außer mir war niemand da. Meine Schritte hallten auf dem Kopfsteinpflaster wider und verloren sich in der Weite des Schlosshofes. Ich stand dem mächtigen Bergfried gegenüber, einem Überbleibsel der mittelalterlichen Aschaffenburger Johannisburg, was meine Einsamkeit noch steigerte. Der Bergfried hob sich durch seine ockergelbe Färbung vom rotgoldenen Sandstein der übrigen Bauten ab.
    Klein und verloren kam ich mir angesichts der Größe dieses Bauwerks vor. Wie dunkle Löcher glotzten mich seine Fenster an, übermächtig sahen Türme und Erker auf mich herab, so als ob sie sagen wollten: Wer bist du schon, kleiner Wurm? Wo kommst du her, wo gehst du hin, was hast du hier zu suchen?
    Was ich hier zu suchen hatte, wusste ich.
    »Sagt mir, was passiert ist!«, rief ich den Mauern zu. »Ihr müsst es doch gesehen haben.« Dabei richtete ich mich vor allem an die Türme, die dem Main zugewandt waren. Sie konnten bis zur Willigisbrücke schauen, mussten gesehen haben, wie man mich aus dem Wasser gezogen hatte, und konnten bestimmt auch sagen, wie ich in den Fluss gekommen war.
    Aber die Türme schwiegen unbarmherzig. Versteinert standen sie da und blickten auf mich herab. Mein Schicksal schien sie nicht im Geringsten zu kümmern. Wahrscheinlich hatten sie in den vergangenen Jahrhunderten zu viel erlebt, als dass sie meine Geschichte hätte rühren können.
     
    Durch das Schlossgartentor stieg ich anschließend die Treppen zu den Mainterrassen hinab. Ruhig floss der Main unterhalb des Schlosses dahin. Es hatte aufgehört zu regnen. Auch in meinem Herzen kehrte Ruhe

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