Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)
zerbrechen.
Wieder sehe ich auf seine Lippen, die so verlockend aussehen, so vielversprechend – und so verdammt verführerisch. Seine vollen Lippen … Seine klaren Augen, die mich wie ein offenes Buch zu lesen scheinen … Ich hasse ihn dafür! Weil er mir jedes Mal ein bisschen näherkommt und es mich jedes Mal mehr Kraft kostet, ihn wieder von mir zu stoßen.
„Belassen wir es dabei, dass wir beide unsere Geheimnisse haben.“
Ich mache mich von ihm los und marschiere direkt auf meinen Wagen zu. Sein Mustang parkt quer neben meinem, die Scheinwerfer brennen noch und die Fahrertür steht offen. Ohne seinen Wagen oder ihn weiter zu beachten, steige ich in meinen Volvo und will den Schlüssel im Zündschloss drehen, aber Jared ist schneller. Bevor ich danach greifen kann, lehnt er sich in das geöffnete Beifahrerfenster und zieht den Schlüssel schnell aus dem Schloss. Ich sehe ihn irritiert an.
„Du glaubst doch nicht, dass ich dich so fahren lasse …”
„Jared, gib mir den verdammten Schlüssel!”
„Steig aus, ich fahre dich. Morgen können wir deinen Wagen abholen.”
Es macht mich wütend, dass er glaubt, sich so um mich kümmern zu können. Dabei sollte er es doch schon besser wissen. Hat er nicht oft genug zusehen müssen, wie ich mich gegen Kerle durchgesetzt habe, die größer und breiter waren als er? Ich brauche keinen Babysitter. Aber etwas in Jareds Blick lässt erahnen, dass er keine Ruhe geben wird.
„Komm schon. Ich fahre dich zum Wohnheim.”
Es mag an dem sanften Lächeln auf seinen Lippen liegen – oder sind es die blauen Augen, die mich so offen ansehen? Fast bin ich versucht, ihm zu vertrauen.
„Ich bin okay. Ehrlich.”
Mein Herz schlägt zu schnell, mein Kopf dreht sich und meine Knie sind weich. Nur werde ich das nicht zugeben. Das habe ich nie. Angst ist ein Gefühl, das ich ausblende.
„Du zitterst.”
Jareds Stimme ist sanft, sie versucht mich einzulullen in eine Lüge, die Geborgenheit verspricht. Meine Hände zittern tatsächlich und schnell schließe ich sie zu Fäusten, die ich fest gegen meine Oberschenkel presse. Er kann es nicht wissen, daher mache ich ihm keinen Vorwurf. Er will nur nett sein. Wenn er mich vielleicht eine Straße vor dem Wohnheim rauslässt und keiner mitkriegt …
„Okay.”
Zögernd steige ich aus meinem Volvo und schlage die Wagentür zu. Wenn ich mir schon die Blöße gebe und mich von ihm in seinem Schlitten nach Hause fahren lasse, dann kann ich zumindest so tun, als wäre ich nicht begeistert. Fassade! Das ganze Leben ist eine Fassade und jeder spielt das Spiel auf seine Weise. Auch Jared, das kann ich sehen, hat diese Fassade und versucht, sie mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten. Als ich um den Wagen trete, will er wieder nach meinem Arm greifen, aber ich weiche aus.
„Laufen gelingt mir noch ganz gut.”
Er hebt abwehrend die Hände, deutet auf seinen Wagen und lächelt.
„Daran habe ich keinen Zweifel. Einsteigen, bitte!”
Ich will nicht mehr dagegen ankämpfen und steige auf der Beifahrerseite ein. Mein Körper fühlt sich schlapp und müde an. Nicht wegen dem, was passiert ist, sondern wegen den lebhaften Bildern meiner Erinnerungen, die mich jedes Mal aufs Neue verdammt viel Kraft kosten. Jared schwingt sich auf den Fahrersitz und wirft mir einen letzten besorgten Blick zu, bevor er den Motor startet. Ich will mich bedanken, weil er im richtigen Moment da war, aber mein Mund fühlt sich trocken und taub an. Mein Lächeln muss das sagen, was ich noch nicht kann. Jared nickt lächelnd und biegt auf die Straße ein.
„Wirklich alles okay?”
Ich nicke. Nichts ist okay.
,Belassen wir es dabei, dass wir beide unsere Geheimnisse haben.’
Es mag nur ein Satz gewesen sein, den er vorher gesagt hat. Nur Worte. Worte, die meine Mauer durchbrochen und die einzige wunde Stelle berührt haben – eine Wunde, die nicht heilen will.
„Komm. Ich fahr dich heim.”
Das Wohnheim des Kensington Colleges liegt, wie alles um diese Uhrzeit, im Dunkeln. Kaum einer ist noch unterwegs, morgen sind Vorlesungen. Die meisten Studenten brauchen ihren Schönheitsschlaf, in dem sie von ihrem aufregenden College-Alltag an dieser Institution träumen. Leider ist der weder aufregend, noch besonders träumenswert. Alles in allem ist es ein öder Zeitvertreib, bevor abends die Bars in unserem Viertel öffnen und sich alle für ein bisschen Spaß dort treffen. Die klassischen College-Bars reihen sich hier auf einer Straße dicht an
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