Mala Vita
von Pietro, dachte sie.
Geräuschlos öffnete sich der silberfarbene Einstieg, und sie betrat die Kabine. Für einen winzigen Augenblick befürchtete sie, dass ihre Nerven nicht mitmachen könnten. Sie fühlte das Pochen des Blutes in den Schläfen und meinte, ihren Herzschlag zu hören. Endlich war die Stunde gekommen! Dieser bohrende Hass, den sie die ganzen Jahre mit sich herumgetragen hatte und der sie fast zerfressen hätte, flammte in einer Heftigkeit auf, dass sie sich nur mühsam beruhigen konnte. Blitzschnell lud sie ihre Waffe durch und ließ das Monstrum in ihre geräumige Lederhandtasche zurückgleiten. Tausendmal hatte sie davon geträumt, Grasso eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Der Gedanke, dass er nicht wissen würde, weshalb er sterben musste, hatte sie geduldig werden lassen.
Der Lift fuhr surrend nach oben, als ihr eine These von Nicolò Machiavelli durch den Kopf schoss: Wer sich mit einem halben Sieg begnügt, handelt allzeit klug; denn immer verliert, wer einen Sieg bis zur Vernichtung des Gegners anstrebt. »Der hatte gut reden«, murmelte sie, während sich die Lifttür öffnete.
Romano Grasso kam Rosanna mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln entgegen.
»Mia carissima …«
Er schlang seine Arme um sie und zog sie an sich. »Wie schön, dich endlich zu sehen!« Glück und Freude standen in seinen Augen, und für einen Augenblick schien er in einen verliebten Jüngling verwandelt. Er vergrub sein Gesicht in ihrem vollen, schwarzen Haar und sog ihren Duft ein, als wolle er sie ganz und gar in sich aufnehmen. »Ich habe nur drei Fragen«, wisperte er in ihr Haar und ließ seine Hand über ihre Hüften zu ihrem verführerischen Hintern gleiten.
Rosanna erstarrte innerlich, obwohl sie wusste, dass Don Grasso ohne Umschweife zum Thema kommen würde. Mit beinahe übermenschlicher Überwindung schmiegte sie sich eng an seinen Körper.
»Wo sind die Unterlagen? Wo ist mein Geld? Was ist mit Roberto Cardone?«
»Ich brauche einen Drink und ein Bad, Romano!«, stöhnte sie kläglich. »Ich fühle mich schmutzig von der Reise. Außerdem will ich mir etwas Frisches anziehen.«
»Du hast meine Fragen noch nicht beantwortet.« Seine gespreizten Finger strichen sanft durch ihre wilden Locken.
Verschmust rieb Rosanna ihre Nase an seiner Brust. »Deine Unterlagen sind in meinem Koffer, dein Geld ist in Sicherheit, und Cardone wird dir nie mehr Kopfzerbrechen bereiten.«
»Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen.«
Sie befreite sich aus seinem Arm, indem sie sich ein wenig zur Seite drehte.
Nur widerwillig gab er sie frei, legte seine Pranken auf ihre Schultern und hielt sie fest. »
Scusa …
Lass dich anschauen! Jedes Mal, wenn ich dich wiedersehe, bist du schöner geworden. Ich könnte sterben bei deinem Anblick …«
Rosanna wand sich graziös aus seinem Griff, machte ein paar Schritte ins Zimmer und starrte durch die gewaltige Fensterfront ins Leere. Wenn du wüsstest, wie nah du dran bist!, dachte sie. Dann murmelte sie versonnen: »Es ist schön, bei dir zu sein«, und fügte mit gespielter Begeisterung hinzu: »Wie ich dieses Penthouse, die Terrasse mit der wundervollen Aussicht auf die Bucht und diese Ruhe hier liebe.« Sie schleuderte ihre eleganten Riemchenschuhe von den Füßen und machte in der Mitte des riesigen Zimmers auf dem goldgrundigen Seiden-Ghom einige übermütige Tanzschritte.
Don Grasso stand regungslos da und beobachtete freudestrahlend Rosannas ausgelassene Bewegungen. »Unglaublich, dieses Weib!«, raunte er kaum hörbar und schüttelte staunend den Kopf. »Sie steigt in den Lift als die von allen gefürchtete Perlaquale und umarmt mich in meinem Wohnzimmer als meine Geliebte!«
Rosanna hatte ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen und unterbrach unvermittelt eine angedeutete Pirouette. »Ach, Romano …« Ihre dunklen Augen sprühten vor Temperament und Übermut, und eine lange Haarsträhne hing ihr quer über Augen und Nase. »Beinahe hätte ich es vergessen …« Sie kicherte. »Schicke den Lift noch einmal nach unten! Pietro wollte mir meine Koffer heraufschicken. Sie waren mir zu schwer.«
»Ich kann Bruno nach unten schicken«, brummelte er leutselig.
»Gute Idee! Ich lasse in der Zwischenzeit heißes Wasser in die Wanne.« Sie warf ihm einen schelmischen Blick zu. »Und du wäschst mir den Rücken. Und leg endlich das Jackett und den hässlichen Schlips ab!«
In Grassos Augen loderte die Leidenschaft, und er lockerte ungestüm den
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