Mala Vita
durchbohrten den jungen Leutnant, der scheinbar unbeeindruckt den Wutausbruch seines Gegenübers verfolgte.
»Setzen Sie sich lieber!«, raunte Montoglio und schaute zu den Gästen auf der anderen Seite der Terrasse. »Sie wollen sicher nicht, dass Sie hier unangenehm auffallen. Contenance! Ihre ach so liebevoll gehegte Reputation steht auf dem Spiel.«
»Das wird Folgen haben, Tenente! Dafür werde ich sorgen …«
Montoglios aufreizendes Lächeln brachte den Colonnello in Rage, und nur mit Mühe gelang es ihm, seine Haltung zu bewahren.
»Offen gestanden, Colonnello, im Augenblick verspüre ich wenig Lust, Ihnen Rede und Antwort zu stehen.«
»Sind Sie völlig verrückt geworden?«, presste der Oberst konsterniert hervor und sank auf den Stuhl zurück. »Mir scheint, Sie sind sich Ihrer Lage nicht bewusst. Sie und Casagrande hatten eindeutige Anweisungen, und es war Ihnen ebenso wie ihm klar, welche Aufgaben Ihnen übertragen wurden.«
Montoglio nickte und grinste über das ganze Gesicht. »Ja, glasklar …«
»Porca miseria!
Dann verstehe ich nicht, wie diese Scheiße heute Nacht passieren konnte. Sie wissen ganz genau, Neuwahlen stehen an, und eines kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien: Wir sind von unserem Ziel weiter entfernt als Sie von Ihrer nächsten Beförderung.«
Montoglios erneutes Auflachen klang nicht so, als sei er belustigt. »Ich habe heute Nacht dazugelernt. Die höchste Beförderung beim Militär ist die ins Jenseits. Weshalb sollte ich darauf scharf sein?«
»Mir scheint, Sie drehen allmählich durch, Tenente. Wir befinden uns in einem Krieg! Das muss Ihnen doch bewusst sein!«
»Wenn ich Sie verbessern darf, Colonnello: Wir sind bei einer politischen Sauerei behilflich.«
Fessoni lehnte sich zurück und fixierte Sandro Montoglio mit einem hasserfüllten Blick. »Bei der Wahl Ihrer Worte sollten Sie sehr vorsichtig sein! Als Offizier des militärischen Geheimdienstes SISMI haben Sie den Eid auf die Fahne geleistet. Sie haben dem ranghöchsten Offizier unserer Truppe absoluten Gehorsam geschworen. In unserem Kreis dulden wir keine Verräter!«
»Wollen Sie mir drohen?«
Fessoni kniff die Augen zusammen. »Ihr Auftrag hieß: lückenlose Überwachung der Zielperson«, erwiderte er mit einem gefährlichen Unterton. »Stattdessen verschwindet diese unter den Augen von vier Agenten einfach von der Bildfläche. Und das unter Ihrer Verantwortung!«
»Tja«, erwiderte Montoglio süffisant, »in Palermos Altstadt haben Ratten überall ihre Schlupfwinkel.«
»Haben Sie eine leise Ahnung, was Ihr Verhalten heute Nacht nicht nur für Sie und mich bedeutet? Welche politischen Folgen Ihr Verschwinden haben wird? Die Ratte, wie Sie die Zielperson nennen, kann einen politischen Erdrutsch verursachen. Haben Sie eine Vermutung, wo sie jetzt sein könnte?«
Montoglio schwieg und lächelte vielsagend.
»Verdammt, Tenente, machen Sie den Mund auf!«
»Bei allem Respekt, das Interesse an politischen Folgen ist, was mich angeht, im Augenblick marginal. Bedeutsamer ist für mich die Frage, seit wann das so geht. Ich meine, so von Mann zu Mann. Wir sind ja im Augenblick völlig unter uns.«
»Drücken Sie sich gefälligst deutlicher aus, Montoglio!«, raunzte Fessoni seinen Untergebenen an. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Sie und meine Frau. Wie lange …«, entgegnete der Oberleutnant ruhig.
Eisiges Schweigen stand plötzlich zwischen den beiden Männern. Fessonis Gesichtszüge erstarrten zu einer frostigen Maske. »Ich versteh nicht ganz …«
»Oh Signore, Sie verstehen mich ganz genau! Sie befehlen mich zur Observierung, obwohl wir gemeinsam eingeteilt waren, und verpissen sich klammheimlich. Ich kann Sie ganz direkt fragen: Seit wann schlafen Sie mit meiner Frau?«
Fessoni rang sichtlich nach Fassung und steckte sich nervös eine Zigarette an. »Hören Sie, Montoglio … Das ist alles ein schrecklicher Irrtum. Offensichtlich sind Sie falsch inform …«
Der junge Offizier schnitt seinem Vorgesetzten rüde das Wort ab. »Halten Sie die Klappe, Fessoni! Ich weiß es. Meine Frau hat gebeichtet.« Seine Miene zeigte ein bitteres Lächeln. Seine Hände zitterten vor verhaltener Wut. Er griff in die Hosentasche, förderte ein goldenes Dupont-Feuerzeug zutage und knallte es vor Fessoni auf den Tisch. »Ihres, nicht wahr? Mit ihrer Namensgravur …«
Der Oberst wollte nach dem Feuerzeug greifen, doch Montoglio legte seine Hand darauf. »Wo haben Sie das her?«
»Es lag sinnigerweise im
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