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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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traute ich mich nicht, nachher hätte ich noch einen Waldbrand verursacht.«
    Durs konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    Ich hinkte wie üblich hinterher und verstand nichts. »Was hat das Buch denn aber hier im Laden zu suchen gehabt?«
    Richard blickte mich über die Brille hinweg an.
    »Ich meine, Flugblätter heißen Flugblätter, weil sie überall umherfliegen. Und die Flugblätter der Kommune 1, die brauchte man doch nicht in einem Buch aus dem Vormärz zu verstecken und dann hier zu deponieren.«
    »Wenn Sie politisch naive Studenten wie mich errei chen sollten, dann schon.«
    Ich musste lachen. »Und weil Thalheim dein rationales Immunsystem geschwächt hat, konnten die Kommunar dentexte dich ebenfalls infizieren. Völker, hört die Signa le, auf zum letzten Gefecht!«
    »Bis dahin fließt noch viel Wasser den Nesenbach runter«, bemerkte der Mann mit dem Knebelbart.
    Durs Ursprung schlitzte die blauen Augen. »Herr … äh …«
    »Weber, Richard Weber.«
    »Herr Weber. Kann es sein, dass ich Sie kenne?«
    Richard hielt dem Blick des Alten stand. »Das glaube ich kaum.«
    »Warum haben Sie das Buch nun zurückgebracht?«
    »Ich wollte für unbestimmte Zeit nach Argentinien gehen. {3} Ein neuer Lebensabschnitt begann, und«, Richard lächelte schief, »über Thalheim war ich hinweg. Doch wegwerfen kann ich Bücher bis heute nicht. Ich finde, sie passen nicht in die Mülltonne zwischen Kartoffelschalen und Milchtüten. Das kann man dem schäbigsten Buch nicht antun. Und Papiertonnen gab es damals noch nicht …«
    »Und das war …«
    »Kurz vor Weihnachten 1978.«
    »Im Deutschen Herbst«, bemerkte Durs. »Schleyer, die Landshut …«
    »Nicht zu vergessen der Mord an Baader, Raspe und Ensslin in Stammheim«, ergänzte sein Sohn hinter der Theke.
    »Für Fremdeinwirkung gab es nie Beweise«, erwiderte Richard.
    Der Knebelbart lachte meckernd. »Das kennt man ja!« Dabei war er eigentlich zu jung für die RAF.
    »Ich weiß nicht, was genau Sie kennen«, sagte Richard mit Untergrundschärfe. »Aber die Toten sind zweimal obduziert und die Todesumstände von einem halben Dutzend Gutachtern der Europäischen Kommission untersucht worden. Hinweise für Fremdeinwirkung haben sich nie gefunden. Baader kann sich den Genickschuss selbst beigebracht haben. Das Einzige, was man uns, also dem Staat, vorwerfen kann, ist, dass man womöglich von den Waffen und Selbstmordabsichten der Gefangenen wusste und sie gewähren ließ, um sie loszuwerden.«
    Ursprung Juniors Blick hatte etwas Unbelehrbares.
    »Ich sehe, Sie wissen da was«, bemerkte der Senior. »Sind Sie Richter?«
    Richard senkte den Blick. »Nein.«
    Erwartungsvoll schauten wir den kleinen eleganten Mann mit der Statur eines Ringers an, der ein Buch in den Händen hielt und reglos den inneren Kämpfen seiner Jugend nachspürte. Aber er sagte nichts mehr.
    »Und dann hat es wieder dreißig Jahre hier gelegen, das Buch«, bemerkte ich. »Und niemand, überhaupt niemand hat sich jemals dafür interessiert.«
    »Man hätte den Saustall schon lange ausmisten müssen!«, meckerte der Knebelbart.
    Der Alte warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Dann hätte Herr Weber uns aber niemals diese Geschichte erzählen können.«
    Plötzlich erkannte ich das Geheimnis von Durs Ursprungs Laden. Hier begegnete man sich selbst und offenbarte die intimsten Geheimnisse seines Lebens. Es war sein Lächeln, das einen dazu zwang. Als ob man den Tausenden hinter Buchrücken schweigenden Geschichten seine eigene hinzufügen müsste, eine möglichst merkwürdige, eine kuriose Geschichte, mit der man sich zum Teil der Legende dieses Ladens machte.
    »Übrigens«, sagte Richard mit untergründigem Lächeln, »ist das Buch so selten, dass ich mich gefragt habe …«
    Das Bimmeln der Türglocke unterbrach ihn.

 
     
3
     
    Mit Lärm und Wichtigkeit brachen drei Menschen in die Buchhandlung ein, zwei Männer und ein Mädchen. Am dicken schwarzen Haar erkannte ich die Autorin vom Plakat. Lola Schrader war groß und büffelhüftig und sah niemanden, schon deshalb nicht, weil schwarze kinnkur ze Haare ihr von beiden Seiten über die Schläfen und Wangen fielen. Sie folgte einem Mann von filigraner Statur, der mit lauter Lehrerstimme »Guten Abend!« rief und auf Durs Ursprung zusteuerte, der das Lächeln auf sein Gesicht zurückzurrte. Die Tür machte ein junger Mann im hellgrauen Anzug mit Schlips zu, der beseligt lächelte.
    »Michel Schrader ist mein Name«, erklärte der Filigrane und

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