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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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wurden. »Kompromisse«, wiederholte sie, »glaube mir, ich bin nicht schlecht damit gefahren«, und ein paar Tage später, ehe sie sich ins Auto setzte, nahm sie Margot noch einmal in die Arme und flüsterte: »Denk an die Kompromisse, Kind.«
    Margot hatte ihr hinterhergewinkt und gedacht, daß es verhältnismäßig einfach sei, bei Pökelzunge und Nieren zurückzustecken. Dann ging sie erleichtert ins Haus. Obwohl, den alten Hellkamp hätte sie gern behalten, der ihr wie ein Vater manchen Hundertmarkschein zugeschoben, hin und wieder auch ihr Konto aufgestockt hatte und dankbar gewesen war, wenn sie an seinem Sofa saß, wobei er meistens einzuschlafen pflegte, ein Bogen friedlicher Sympathie, der sich von einem zum anderen spannte. Aber Norderney lag nicht am Ende der Welt, sie würde hinfahren mit dem Kind und das Meer sehen. So, wie es war, endlich allein im Haus, war es gut.
    Harald äußerte sich ebenfalls zufrieden über die Trennung. »Wir brüten«, sagte er, »wir dürfen nicht gestört werden«, und umwickelte Margot mit seiner Fürsorge, Mutter und Kind, Kostbarkeiten. Sie fing an, sich selbst kostbar zu fühlen, eingekuschelt in ihr Nest, fernab der Welt, in der es allenthalben schon wieder nach Krieg roch, kaltem und heißem, dazu der neue Zwist im Volk über die Wiederbewaffnung, Demonstrationen, die sich ankündigen, auch die Gummiknüppel liegen bereit. Sie jedoch hatte den Vorhang zugezogen, so wie seinerzeit in Pyritz, bis Patschek gekommen war und ihn herunterriß.
    Diesmal geschah es durch Adenauers rheinische Altherrenstimme abends um acht Uhr im Radio: »Für jeden Deutschen, meine Damen und Herren, mit gesundem Empfinden muß es ein zwingendes Gebot sein, Heimat und seine Freiheit zu verteidigen.«
    Margot lag auf dem Sofa. Sie hatten unten am großen Tisch zu Abend gegessen, drei Gänge wie üblich, alles auf Hellkampsche Weise zubereitet. Nun saß Harald im Sessel und wollte eigentlich Zeitung lesen.
    »Hast du das gehört!« Margot richtete sich auf. »Gesundes Empfinden!«
    »Was stört dich daran?« fragte er, und Margot, obwohl sie die Frage nicht hätte überraschen sollen, rief, das könne einfach nicht wahr sein, und ob er denn alles schon vergessen habe, Hitler und Goebbels und das gesunde Volksempfmden, und wie man überhaupt dergleichen wieder in den Mund nehmen könne, ein Bundeskanzler, sie begreife es nicht.
    »Beruhige dich doch, Liebling.« Harald stand auf und setzte sich neben sie. »Damals, das kannst du doch nicht mit heute vergleichen.«
    »Es ist erst fünf Jahre her«, sagte Margot.
    »Schon! Schon fünf Jahre! Wahrhaftig Zeit, daß wir unsere Souveränität wiederbekommen, und ein souveräner Staat muß sich verteidigen können.« Er legte den Arm um sie. »Nur wenn du dich nicht wehren kannst, kriegst du Prügel«, sagte er und spürte nichts von ihrem Entsetzen, wie auch, mit so anderen Bildern im Kopf, Bildern von heute und morgen, nichts mehr darin von gestern, während für Margot der Film des vergangenen Schreckens ablief, der blaue Himmel bei Neustrelitz, die Wiese am Straßenrand, tack, tack, tack machen die Tiefflieger, ein Pferd wiehert, Mama, weint das Kind.
    »Ewig können wir nicht im Büßerhemd durch die Gegend laufen«, sagte Harald. »Und Gott sei Dank brauchen die uns. Oder meinst du, Italiener und Franzosen können Europa verteidigen?« Haralds Lachen, und Lore liegt neben der toten Frau, es sollte doch anders werden, und Harald redet immer noch, »eine neue Wehrmacht würde auch die Wirtschaft wieder ankurbeln, Aufträge für Uniformtuch, damit könnten wir in der Weberei endlich wieder auf Vorkriegsstand kommen«, und sie geht zum Kübelwagen, der feuchte Schlüpfer klebt an den Schenkeln, die Hände sind voll Blut.
    »Mein Sohn soll wieder stolz sein auf sein Land«, sagte Harald, und plötzlich fing Margot an zu schreien, ihr sogenannter hysterischer Anfall. »Ich will kein Kind«, schrie sie, »ihr hört ja doch niemals auf, ich will das Kind nicht, ihr bringt es ja doch wieder um«, und schlug mit den Fäusten auf das Sofakissen und nach Harald, der sie beruhigen wollte, und fing an zu husten und zu brechen, bis sie keine Kraft mehr besaß. Sieben Wochen danach kam die Fehlgeburt, und Harald gab ihr die Schuld am Verlust des Kindes. Erst Wiethe sagte ihr eines Tages, daß die Schuld nicht bei dem zu suchen sei, der Unerträgliches nicht ertragen könne.
    Jahrzehnte nach diesen Ereignissen, wenn Margot über ihr Leben nachdachte, das unter den

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